Kurier

Das letzte Aufbäumen

Im Frühling 1918 sieht die deutsche Heeresleit­ung nur noch eine Möglichkei­t, den Verlauf des Krieges zu ändern – eine rasche Offensive an der Westfront muss her.

- TEXT: ARMIN ARBEITER INFOGRAFIK: CARINA TICHY

Die Erde bebt. Ohrenbetäu­bendes Getöse zerreißt die StillederN­acht,Schlagauf Schlag detonieren die Artillerie­granaten. Über die Soldaten der britischen 5. Armee bricht am 21. März 1918 das Jüngste Gericht herein. Das Unternehme­n Michael hat begonnen.

Die deutsche Heeresleit­ung unter General Erich Ludendorff weiß, dass jeden Tag mehr Soldaten aus den Vereinigte­n Staaten landen, um die britischen und französisc­hen Streitkräf­te an der Westfront zu unterstütz­en. Nur eine rasche Offensive kann jetzt noch zum Erfolg führen – an einer Front, die seit mehr als drei Jahren praktisch unveränder­t ist. Ziel der Operation ist es, über Amiens bis zum Meer durchzubre­chen und so die britischen Verbände von den französisc­hen zu trennen.

Die Lage ist günstig – aus dem Osten sind frische Truppen gekommen, diesen Moment der Überlegenh­eit gilt es zu nutzen: Um 04:40 Uhr feuern mehr als 3600 Geschütze aus allen Rohren auf die britischen Stellungen bei St. Quentin. Diese sogenannte Feuer walze soll den Feind niederhalt­en, während sich die eigenen Soldaten vorarbeite­n.

Die Briten erleben die Hölle auf Erden, Augenzeuge­n sprechen von einem „Meer aus Feuer“. Als das Bombardeme­nt nachlässt, lösen sich unheimlich­e Gestalten aus dem Rauch und eröffnen erbarmungs­los das Feuer. Es sind die deutschen Sturmtrupp­en – hartgesott­ene Soldaten, die extra für den Grabenkamp­f ausgebilde­t wurden. Ist die Distanz für das Gewehr zu nahe, greifen sie zu ihren geschärfte­n Spaten und machen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt.

Der Angriff hat Erfolg. Sechs Kilometer tief dringen die Deutschen an diesem Tag ein und fügen den Briten schwere Verluste zu. Doch nicht überall läuft die Offensive so gut an: Weiter nördlich stoßen die deutschen Truppen auf heftigen Widerstand der Briten und verfehlen ihr Angriffszi­el klar. Knapp 40.000 deutsche Soldaten sterben an diesem ersten Tag der Frühjahrso­ffensive.

Trotzdem geht der Vormarsch in den nächsten Tagen weiter – die Briten müssen sich zurückzieh­en, haben selbst schwere Verluste erlitten. Bis zum 30. März erobern die Deutschen ein Gebiet von 80 Kilometern Breite und 65 Kilometern Tiefe und rücken bis knapp vor Amiens vor.

Zu diesem Zeitpunkt haben sich Briten und Franzosen jedoch neu organisier­t, kanadische und australisc­he Truppen sind zur Verstärkun­g eingetroff­en – die Entente holt zum Gegenschla­g aus.

Immer wieder greifen Divisionen der Alliierten deutsche Stellungen an, die Offensive gerät ins Stocken. Das gewonnene Gebiet ist durch jahrelange­n Stellungsk­rieg aufgewühlt und schwierig zu halten, Nachschubw­ege sind nur durch äußerste Anstrengun­gen zu sichern.

Die Moral sinkt

Hinzu kommt, dass die Moral der Deutschen sinkt: Die seit Jahren unterernäh­rten Soldaten finden in eroberten Stellungen wohlgefüll­te Vorratskam­mern – ein Zeichen dafür, dass der Nachschub für die Alliierten gesichert ist, während aus Deutschlan­d nicht einmal das Nötigste kommt.

Nach einigen erfolglose­n Angriffen bläst Luden dorf f am 6. April das Unternehme­n Michael ab. Vier weitere Male wird das deutsche Heer vergeblich versuchen, die Front zu durchbrech­en, doch die massive Verstärkun­g durch frische amerikanis­che Truppen lässt ihm keine Chance.

Zu schwer sind die Verluste, beinahe 240.000 deutsche Soldaten sind tot oder verwundet. Auch die Gegenseite hat es hart getroffen – mehr als 250.000 Entente-Kämpfer gibt es, zu beklagen.

Im Sommer gehen die Alliierten zum Gegenangri­ff über: Seit dem Unternehme­n Michael habensich Briten und Franzosen auf eine gemeinsame Heeresleit­ung geeinigt und können so koordinier­ter vorgehen. Zwar hält die deutsche Front, der Krieg ist aber schon längst verloren, die Verbündete­n sind besiegt.

Luden dorf ff ordert die deutsche Regierung noch im Sommer dazu auf, mit Friedensve­rhandlunge­n zu beginnen, dadurch entsteht die„ Dolchstoß legende “: Während das Heer„ im Felde unbesiegt“sei, hätten die politschen Parteien gegen den Krieg agiert und so die Armee „hinterrück­s erdolcht“.

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Soldaten bei der Operation im Einsatz Soldaten verloren (verwundet, vermisst, verstorben) (ca.) Soldaten bei der Operation im Einsatz Soldaten verloren (verwundet, vermisst, verstorben) (ca.) Soldaten bei der Operation im Einsatz Soldaten verloren...

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