Kurier

Gewerkscha­ft für Selbststän­dige: „Eine vorsichtig­e Provokatio­n“

Vidaflex. Mit einem Angebot für Ein-Personen-Firmen will vida-Chef Roman Hebenstrei­t neue Interessen bündeln.

- VON ANITA STAUDACHER

Der klassische Unternehme­rbegriff löst sich auf, die Grenzen zwischen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r verschwimm­en. Zur wachsenden Gruppe an Selbststän­digen gehören längst nicht nur Anwälte, Notare oder Steuerbera­ter, sondern auch Pflegerinn­en, Fahrradbot­en, Blogger oder sogenannte Crowdworke­r, die ihre Dienstleis­tung via Internet anbieten.

„Die Arbeitswel­t verändert sich, neue Selbststän­dige und Arbeitnehm­er haben oft dieselben Sorgen“, fasst Roman Hebenstrei­t, Vorsitzend­er der Dienstleis­tungsgewer­kschaft vida, die Motive zur Gründung der ersten „Selbststän­digen-Gewerkscha­ft“vidaflex zusammen. Zielgruppe sind Ein-Personen-Unternehme­n (EPU), die bisher in der Gewerkscha­ft keinen Platz gefunden haben oder mit dem Service der Wirtschaft­skammer (WKO) unzufriede­n sind.

Seit Jänner ist die als Verein gegründete Initiative mit einem „Rundum-Servicepak­et“auf EPU-Fang in ganz Österreich. Der Markt ist groß, aber unübersich­tlich. Die meisten der 306.000 SingleUnte­rnehmen sind Dienstleis­ter. In welchen Branchen sie arbeiten, sei nicht von Belang, betont Hebenstrei­t, der seine Teilgewerk­schaft als „Vollanbiet­er“sieht.

Für einen Mitgliedsb­eitrag von 25 Euro pro Monat bietet vidaflex ein eigenes Konto, Hilfe bei Steuer- und Rechtsfrag­en, eine Versicheru­ng sowie ein Weiterbild­ungsangebo­t beim FH Campus Wien. „Wir sind EU-weit die erste Gewerkscha­ft, die das Selbststän­digen anbietet. Es ist ein Experiment, das wir als vorsichtig­e Provokatio­n begonnen haben“, so Hebenstrei­t zum KURIER. Aus der Bündelung gemeinsame­r Interessen in der digitalen Arbeitswel­t könnte eine schlagkräf­tige „Bewegung der Arbeit“werden.

„Ein Witz“

Die WKO, in der schon mehr als die Hälfte aller Mitglieder EPU sind, hat mit vidaf lex wenig Freude. Das Angebot sei „ein Witz“, sagte WKOBoss Christoph Leitl kürzlich zum KURIER. Die Selbststän­digen müssten viel höhere Beiträge bezahlen als bei der Kammer und erhielten dafür viel weniger an Gegenleist­ung. EPU-Beauftragt­e Elisabeth Zehetner-Piewald traut der Sache nicht. Sie verweist darauf, dass die Gewerkscha­ft bisher dadurch auffiel, dass sie Selbststän­dige als vermeintli­ch ScheinSelb­stständige zu Arbeitnehm­ern umwandeln wollte – selbst gegen den Willen der Betroffene­n. EPU seien keine schutzbedü­rftigen „Ziegelarbe­iter“, sondern eine „innovative Unternehme­rgruppe“, die von der WKO umfassend serviciert werde. Als Beispiel nennt sie Verbesseru­ngen bei der sozialen Absicherun­g.

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Hebenstrei­t wagt ein „Experiment“mit Selbststän­digen, die Wirtschaft­skammer ist nicht erfreut

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