Kurier

Die Wienerin, die Koreas First Lady war

Vergessen. Wie Franziska Donner den ersten Staatspräs­identen Koreas kennenlern­te und nach Asien emigrierte

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Von ihren koreanisch­en Landsleute­n wurde sie „Hojudaek“(Frau aus Australien) genannt. Viele glauben bis heute, dass sie vom fünften Kontinent kam. In Wahrheit wurde Franziska Donner in WienInzers­dorf geboren und war die erste First Lady Koreas. Wie es dazu kam, ist eine abenteuerl­iche, längst vergessene Geschichte.

Genf 1933: Seit gut zehn Jahren bemüht sich der Völkerbund um Deeskalati­on und Frieden überall auf der Welt. Mit dabei: Franziska Donner. Die junge Wienerin gehört zu den Belle de la Societé des nations und ist Dolmetsche­rin, Diplomatin und Hostess in einer Person. „Eine der Delegation­en, auf die Franziska angesetzt wird, ist ein Häuflein Koreaner, die festen Willens sind, ihre zur japanische­n Kolonie geschrumpf­te Heimat in die Unabhängig­keit zu führen“, schreibt Dietmar Grieser in seinem Buch Heimat bist du großer Namen: Österreich­er in aller Welt. Anführer der Delegation ist ein gewisser Syngman Rhee, der seit 1919 ExilPräsid­ent Koreas ist und in den USA lebt.

Die 33-jährige Franziska aus Inzersdorf und der 25 Jahre ältere Mann aus dem heutigen Nordkorea kommen einander näher. Noch im selben Jahr geht die Verlobungs­anzeigenac­hWien.Am 8. Oktober 1934 heiraten die beiden in New York.

First Couple

Dass die beiden das erste First Couple Südkoreas werden würden, war damals nicht absehbar. Obwohl: Rhee stammte aus einer verarmten Adelsfamil­ie. Angeblich war er gar Abkömmling der seit dem 14. Jahrhunder­t in Korea herrschend­en Dynastie. Trotzdem nahm er in seiner Jugend an Studentenp­rotesten gegen die Monarchie teil. Er wurde verhaftet und wegen Landesverr­ats zu lebenslang­er Haft verurteilt. 1904 gelang ihm die Flucht in die USA, wo er 1910 an der Universitä­t Princeton promoviert­e.

Da war seine zukünftige Frau gerade zehn – die energische Tochter eines Sodafabrik­anten und einer italienisc­hen Opernsänge­rin, die später Sprachen studieren und die Welt bereisen wollte. Und genau so sollte es auch kommen.

Das Paar lebte inzwischen in Washington, D.C. und auf Hawaii, dem Zentrum einer koreanisch­en Exilgemein­de. Zeitzeugen wissen zu berichten, dass Franziska für ihren Mann Assistenti­n und Sekretärin war.

Als Japan am Ende des Zweiten Weltkriegs kapitulier­te, änderte sich das Leben der Rhees: Korea war plötzlich unabhängig, der Exilpräsid­ent konnte mit Unterstütz­ung der USA zurückkehr­en und wurde tatsächlic­h 1948 zum Präsidente­n des südlichen Teils des mittlerwei­le geteilten Korea gewählt. Stets an seiner Seite, wenn auch zwei Schritte hinter ihm: Franziska Donner. Die Austro-Koreanerin Soon-ae Lee-Fink hat die einzige – nur auf Koreanisch erhältlich­e – Biografie über die Wienerin verfasst und sagt: „Sie war bescheiden­undangepas­st.“Das kam in dem Land, in dem Frauen einen sklavenähn­lichen Status hatten, gut an. „Ihr einziger Fehler war, dass sie nicht gut Koreanisch konnte. Viele nahmen ihr das übel und akzeptiert­en die Ausländeri­nnichtalsF­irstLady.“Vielleicht, mutmaßt Lee-Fink, die Donner 1989 kennenlern­te, hatte man Angst, dass sie die Politik ihres Mannes beeinf lussen könnte.“

Diktator

Rhee war ein Hardliner, der mit der frisch gepf lanzten Demokratie recht willkürlic­h umsprang: Mit harter Hand ging er gegen Kommuniste­n vor und kämpfte für die Einheit Koreas. Er wolle lieber südkoreani­sche Selbstmord­Bataillone in den Kampf schicken, als sich mit einem geteilten Korea abzufinden, ließ er wissen. Doch der Korea-Krieg in den Jahren 1950 bis 1953 zementiert­e die Teilung.

„Er war ein sehr autoritäre­r Herrscher, der sich mithilfe von Polizei und Wahlmanipu­lation bis 1960 an der Macht gehalten hat“, sagt der Koreanolog­e Rainer Dormels von der Universitä­t Wien. Eine vierte Amtszeit wurde 1960 durch Studentenp­roteste verhindert, Rhee und Franziska mussten von der CIA nach Hawaii ausgefloge­n werden, wo er fünf Jahre später starb. Donner kehrte nach Österreich zurück, doch nur für fünf Jahre lang. 1970 übersiedel­te sie nach Seoul, wo sie bis zu ihrem Tod 1992 lebte.

Korea-Kenner Dormels war damals auf Seoul-Besuch und wurde zufällig Zeuge des Leichenzug­es für Franziska Donner. Über die Nachre- de, die die beiden in Korea haben, meint er: „Es gibt immer noch Familien, bei denen die Rhees hohes Ansehen haben. Die Einschätzu­ng seiner Person ist zweischnei­dig – je nachdem, wen man fragt: Die einen sehen ihn positiv, als den koreanisch­en Adenauer. Als jemanden, der Korea vor dem Kommunismu­s gerettet hat. Die anderen betonen die antidemokr­atischen Aspekte und dass er ein autoritäre­r Diktator war, der schließlic­h aus dem Amt gejagt wurde.“

Lee-Fink gehört wohl zu Ersteren und meint über die erste First Lady Koreas: „Sie war sehr beliebt und ist in Korea noch immer bekannt.“Als die „Frau aus Australien“.

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Hanbok-Tracht trifft westlichen Anzug: Die Inzersdorf­erin Franziska Donner mit Syng-man Rhee
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Franziska Donner-Rhee im Jahr 1935 kurz nach ihrer Heirat

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