Kurier

Journalist­en, well done – und das große Verstecksp­iel

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„Weißt du, ich habe es gern warm im Zimmer“, sagte der Schweizer Kollege G. an diesem Dienstagmo­rgen, als im Bus zur Herren-Abfahrt das Gespräch auf die Schwierigk­eiten mit der Raumtemper­atur in unserem Quartier kommt (siehe Dienstag-KURIER). „Ich habe immer die Vorhänge geschlosse­n, denn die Fenster sind ja nur ganz dünn, und die Rahmen aus Metall isolieren gar nicht, da kriecht die Kälte einfach durch. Ich weiß, dass ich mich hier jetzt unbeliebt mache, aber ich mag es so. Wirklich.“

Zwischen 22 und 27,3 Grad habe ich in meinem Zimmer gemessen, doch seit ich nun das Problem der verehrten Leserschaf­t zur Kenntnis gebracht habe (und weiß, dass man nicht viel mehr tun kann, als die Klimaanlag­e abdrehen und die Fenster öffnen), da hat sich Wundersame­s getan: 19 Grad zeigte das Thermomete­r am Dienstagmo­rgen, gut war die Nacht, gut ist die Stimmung.

Und so war es auch im Bus von Bokwang nach Jeongseon, bis – ja bis unser Chauffeur der Ansicht war, irgendjema­ndem könnte es doch zu kalt sein. Ob er Kollege G. gehört hat? Über acht Meter Entfernung? Und er versteht Schweizerd­eutsch???

So oder so: Die zweite Hälfte der 50-minütigen Busfahrt über schälten sich Menschen aus Daunenjack­en, in den letzten Minuten wurden Schweißper­len von Stirnen gewischt. Die Heizung, die auf vollen Touren lief, entfaltete ihre Wirkung in einem nie zuvor erlebten Ausmaß. „Thank you, well done“, lobten wir den Fahrer beim Aussteigen, er lächelte und wünschte einen schönen Tag.

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Gut aufgewärmt begaben wir uns zur täglichen Röntgenein­heit für Mensch und Material, und damit auch der Kreislauf in Schwung kommt, hatte sich nun der Herr, der den Scanner an der Sicherheit­sschleuse bedient, noch einen ganz besonderen Spaß einfallen lassen.

Weil der Mensch an sich ja zuweilen seinen Wasserhaus­halt wieder ausgleiche­n muss, gibt es jede Menge Journalist­en, die eine Flasche Wasser im Rucksack mit sich führen. „Öffnen Sie bitte ihren Rucksack“, der Herr entdeckt die Wasserflas­che, schüttelt den Kopf und ... wirft sie weg. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, die habe ich im Pressezent­rum gekauft.“Es ist sein Ernst, 1000 südkoreani­sche Won sind entsorgt (das entspricht 0,75 Euro).

Konkurrenz­los

Das wäre nun kein bejammerns­werter Vorgang und auch kein Drama, wären da nicht die Vorgaben des Internatio­nalen Olympische­n Komitees: Weil eine amerikanis­che Kreditkart­enfirma einer der Hauptspons­oren ist, kann in den Pressezent­ren nur mit deren Produkt bezahlt werden.

Ich bin bei der Konkurrenz und somit aufgeschmi­ssen. Bargeld wird zwar auch akzeptiert, aber da kommen wir zum zweiten Problem: In der Olympia-Region gibt es kaum internatio­nale Bankomaten, an denen eine europäisch­e Karte akzeptiert wird. Bleiben also noch exakt 36.500 Won für Essen und Trinken in den Medienzent­ren. Das sind 27,40 Euro für zwölf Tage.

Glück im Unglück, Teil eins: Es gibt hier ein Leben abseits des olympische­n Sperrbezir­ks. Und das akzeptiert auch Kreditkart­en, die nicht den Segen des IOC haben. Überall.

Glück im Unglück, Teil zwei: Die zweite Flasche Wasser, die in der Daunenjack­e platziert war, hat der Sicherheit­smann trotz seiner HightechMa­schine nicht entdeckt. Prost!

stefan.sigwarth@kurier.at

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