Der Surrealist als Universalist
Ausstellung. „Man Ray“im Kunstforum Wien (bis 24. Juni) – ein Künstler, dessen Atout die Vielfalt ist
Überraschend klein wirkt es, das Bügeleisen, an dessen Unterseite sich Nägel befinden. Man Ray (1890–1976) schuf es nach einer Begegnung mit dem Komponisten Erik Satie 1921 und nannte das Objekt „Geschenk“.
Das Verrätseln, das surrealistische Verfremden ist charakteristisch für den Amerikaner in Paris, der als Darling der dortigen Kunstszene Narrenfreiheit genoss. Und zugab: „Meine Werke sind darauf angelegt, zu amüsieren, zu verärgern, zu verwirren, zu verblüffen und zur Ref lexion anzuregen.“
Sokullernübereinmakelloses Frauengesicht paradoxerweise gläserne Tränen, die „keinerlei Gefühl ausdrücken“, so Man Ray über „The Tears“, um 1930 entstanden.
In surrealistischer Manier befestigte er das Bild eines Auges am Pendel eines Metronoms und nannte es „Indestructible Object“.
Muse Kiki
In „Noire et blanche“(1926) postierte er neben eine glänzend schwarz polierte afrikanische Maske das scheinbar schlafende Marmorgesicht seiner langjährigen Geliebten Kiki de Montparnasse. Sie ist auch die Dame mit dem Geigen-Körper mit den aufgemalten F-Schallöchern am Rücken auf dem nicht weniger berühmten Foto.
Man Rays erste Liebe war die Malerei. Der blieb er auch treu und wechselte nur das Medium, als er mit der Kamera zu malen begann. Er ist Pragmatiker und malt, was nicht zu fotografieren ist, und fotografiert, was er nicht malen möchte.
Durch seine Porträts von Künstlerkollegen wie Georges Braque, Pablo Picasso oder Salvador Dalí und seine Modefotografien für Zeitschriften wie Vogue oder Bazaar war er einer der gefragtesten Fotografen im Paris der 1920er- und 1930er-Jahre.
Ein Vielseitiger
Man Ray, der als Emanuel Radnitsky in Philadelphia geboren wurde, gilt als Impulsgeber der modernen Fotografie, ist aber noch viel mehr.
Die von Lisa Ortner-Kreil kuratierte Ausstellung im Kunstforum Wien zeigt „sein Freundin des italienischen Dichters Gabriele d’Annunzio: Es zeigt drei Augenpaare untereinander und sollte eigentlich in den Papierkorb. Aber die Exzentrikerin, die einst ihre Gäste mit einer vier Meter langen lebenden Pythonschlange um den Hals empfangen hatte, bettelte um einen Abzug und war überwältigt. Das Foto sei ein „Porträt ihrer Seele“, meinte sie ergriffen.
Aus dem New Yorker Museum of Modern Art kam mit „The rope dancer“(1916) ein Hauptwerk Man Rays nach Wien, das mit den geometrischen Formen des Kubismus spielt: mit bunt und grell-leuchtenden Schatten.
Von Kritikern gehasst
Dabei hat die Kunstkritik seine Malerei lange kaum zur Kenntnis genommen, die Gemälde und Zeichnungen als Marginalien behandelt. Ein Kritiker beschimpfte den Künstler einst als Kretin und Drogensüchtigen. Der konterte trocken: „Alle Kritiker sollten ermordet werden.“Und meinte: „Es wäre ein großer Fortschritt, würde das Wort ,seriös‘ aus dem Vokabular gestrichen.“
Schlussendlich ist alles nur eine Frage der Perspektive. Wenn Ingried Brugger heute mit Fug und Recht erklärt: „Man Ray ist ein Künstler, der seiner Zeit weit voraus war“, so gibt es auch darauf schon die Antwort des humorvollen Mannes, der die Diskussionen um die Rangfolge der Kunstgattungen schon vor Jahrzehnten einfach leid war, von seinerzeit:
„Schauen Sie, die Leute sagen, ich bin der Zeit voraus. Ich sage, nein, nicht ich bin meiner Zeit voraus. Es sind die anderen, die der Zeit hinterherhinken.“
Voila! Im Kunstforum hinkt es sich vortrefflich.