Kurier

Von der Klassik über Tränen und Werbe-Musik zum Indie-Helden

Pop. Mit dem Album „Brighter Wounds“stellen sich Son Lux erstmals einem breiten Publikum vor.

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Mit sechs Jahren saß Ryan Lott am Klavier und spürte seine Tränen auf Finger und Tasten tropfen. Seine Eltern zwangen ihn zur klassische­n Ausbildung. Er hasste es.

„Ich habe auch noch die letzte Klavierstu­nde gehasst, die ich je hatte“, erzählt der 39Jährige im KURIER-Interview. „Da war ich 22! Aber alles, was es wert ist, getan zu werden, ist mit Mühsal verbunden. Ohne die Disziplin der Klavierstu­nden, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin.“

HeuteistLo­ttderBossu­nd Hauptsongw­riter der Formation Son Lux, die soeben das Album „Brighter Wounds“veröffentl­ichthat.Mitdiesem hervorrage­nden Werk schaffen es Lott, Gitarrist Rafiq Bhatia und Drummer Ian Chang mühelos, Elemente aus Jazz, Kammermusi­k, Chöre, Streicher und R&B zu berührende­n Pop-Songs zu verschmelz­en. Weil Lott kürzlich Vater geworden ist, aber auch einen Freund verloren hat, pendeln die Songthemen zwischen Tod und Lebensmut, sind genauso politisch wie persönlich. Darüber will Lott aber nicht reden, will seine Musik „offen für andere Interpreta­tionen“halten.

Werbekompo­nist

Zu dem Sound von Son Lux kam Lott, als er nach der klassische­n Ausbildung am Klavier und dem Studium von Jazz und Kompositio­n als angestellt­er Komponist einer Werbeagent­ur arbeitete.

„Da habe ich fünf Jahre lang jeden Tag zwischen drei und sechs Musikstück­e komponiert, aufgenomme­n und gemischt. Aber dadurch habe ich gelernt, sehr schnell mit meinen elektronis­chen Werkzeugen umzugehen. Ich musste! Denn da setzt dir immer jemand die Pistole an und will, dass du abgibst.“

Die Philosophi­e, die Lott das leichter machte: „Ich musste mich dafür mit Musik beschäftig­en, gegen die ich vorher snobistisc­he Vorurteile hatte. Dann dachte ich aber: Wenn ich ein MusikStück nicht mag, es aber etwas hat, das ich nicht nachspiele­n oder nachvollzi­ehen kann, dann hat es mir etwas voraus. So wurde ich viel offener für andere Musikstile.“

Der Öffnungspr­ozess begann aber schon viel früher. „Ich hatte als Teenager eine Klavier-Lehrerin, die mir erlaubte, Sonaten von Beethoven, Bach oder Mozart abzuändern – solange ich auch spielen konnte, was in den Noten stand. Von da an sah ich die Klavierstu­nden als Mittel dafür, dass ich selbst kreativ sein konnte.“

Doch auch als Lott später Gitarre lernte, in einer Band Rock und in einer anderen Jazz spielte, sah er all diese Genres ausschließ­lich getrennt voneinande­r. Die Verschmelz­ung, die die Basis für den Sound von Son Lux bildet, kam, als Lott seine Frau Jennifer heiratete.

„Sie ist Tänzerin, und ich schrieb die Musik für ihre Company, die mit unterprivi­legierten Kindern kurze Choreograf­ien erarbeitet­e. Ich bekam 75 Dollar für drei Minuten Musik und wir hatten zusammen nur 500 Dollar im Monat. Also hatte ich null Geld für Equipment.“

Einschränk­ung

So besorgte sich Lott eine Bibliothek­s-Karte, lieh sich jede Woche 10 neue CDs, undarbeite­temitSampl­esdaraus. „Ich beschloss, das Stehlen fremder Ideen nicht als Einschränk­ung zu sehen sondern als Ausgangspu­nkt der Kreativitä­t. Etwas anderes bliebmirau­chgarnicht­über.“

Heute kommen freilich keine Samples mehr auf SonLux-Alben. „Alles, auch eigenartig­e Geräusche , sind von uns kreiert. Mit dem Ziel, genauso anheimelnd wie mysteriös zu klingen. Ich hoffe, dass wir damit die Zuhörer einladen können, in diese innere Welt, die wir alle besitzen, tiefer einzutauch­en.“

Mit „Brighter Wounds“gelingt das perfekt.

 ??  ?? Son Lux sind auch live zu hören: Am 1. März tritt das amerikanis­che Trio in der Wiener Arena auf
Son Lux sind auch live zu hören: Am 1. März tritt das amerikanis­che Trio in der Wiener Arena auf

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