Auftakt zum neuen Kräftemessen im deutschen Bundestag
Regierungserklärung. Angela Merkel räumt Fehler ein und will mehr für den Zusammenhalt im Land tun. Dieser schwindet scheinbar auch in der Union.
Fast ein halbes Jahr hat es gedauert, gestern kam die neue Regierung im Parlament an. Und dort warteten neben FDP, Grüne und Linke schon 92 AfD-Abgeordnete, zehn davon sind Frauen, deren Anführer am Wahlabend schwor: Sie wollen Merkel jagen. Nun sitzt Alexander Gauland auf seinem violetten Stuhl, rollte vor und zurück. Um 13.02 Uhr betritt Angela Merkel das Podium, um die Pläne für ihre vierte Kanzlerschaft zu erklären.
Und macht etwas, dass viele überrascht: Sie räumt zuerst Fehler ein. „Wir haben zu lange weggesehen“, sagte Merkel. Die EU und andere Institutionen hätten zu spät auf die Fluchtbewegungen reagiert. „Die bei uns ankommenden Menschen konnten in der übergroßen Mehrheit nichts dafür, dass die internationale Gemeinschaft sie vergessen hatte“, so Merkel. „Wir haben sie als Menschen in der Not aufgenommen.“
Aber ihr sei auch klar, dass das Land damit überfordert war und gespalten sei, selbst ihr Satz „Wir schaffen das“, den sie zuvor schon häufig gesagt habe, ist im Herbst 2015 zum Kristallisationspunkt der Debatte geworden.
Was sich durch ihre Rede zieht: die Sorge um den schwindenden Zusammenhalt der Gesellschaft, den sie bekämpfen will. Von der AfD kommen dazu nur Geraune und Zwischenrufe. Die Abgeordneten verbieten sich jeglichen Applaus. Selbst als Merkel die Arbeit der Sicherheitskräfte im Zuge der Flüchtlingskrise lobt und viele Abgeordnete applaudieren. Erst als Gauland das Wort ergreift und Richtung Merkel giftet, klatschen die AfDler eifrig. Als Führer der größten Oppositionsfraktion durfte er als erster die Regierungserklärung kommentieren.
Etwas verhalten reagierten gestern allerdings auch einige Abgeordnete der Union. Bei Passagen zur Flüchtlingspolitik rühren sie keine Hand, ebenso als Merkel über den Islam spricht. Mit Blick auf die von der CSU entfachte Debatte, stellt sie klar, dass sie sich den Takt nicht vorgeben lässt. Die christliche und jüdische Prägung des Landes stehe für sie außer Frage, dennoch istesrichtig,„dassmitden4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist.“Bei diesem Satz dreht sich CSU-Chef Seehofer weg, Landesgruppenchef Dobrindt widerspricht der Kanzlerin später. Schwindenden Zusammenhalt gibt es scheinbar auch in der eigenen Fraktion.