Kurier

Ermittlung­en im Schatten der Legalität

Kriminelle V-Leute. Drogenfahn­der setzten auf Hinweise zweifelhaf­ter Albaner. Jetzt werden Prozesse neu aufgerollt

- VON MICHAELA REIBENWEIN Anm.)

Es sind ausgelasse­ne Szenen: Männer liegen sich in den Armen, tanzen gemeinsam im Kreis. Es ist ein besonderer Tag – in Albanien wird geheiratet. Mit dabei sind auch Gäste aus Österreich. Und ab diesem Punkt wird es heikel. Es ist die Hochzeit eines V- Mannes, die gerade gefeiertwi­rd. Also einem Mann, der die Polizei für Geld mit Hinweisen versorgt und aktuell selbst eine Haftstrafe wegen Suchtgifth­andels verbüßt.

Bei den beiden Österreich­ern handelt es sich um Polizisten – einen Salzburger Drogenfahn­der und einen verdeckten Ermittler des Bundeskrim­inalamt es. Doch nun sind die Polizisten und ihr Tippgeber selbst ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwa­ltschaft St. P ölten ermittelt wegen Amtsmissbr­auchs und falscher Beweis aussage.

59 Festnahmen

Zumindest 40 Drogen-Aufgriffe und 59 Festnahmen gelangen den Ermittlern mit der Hilfe des V-Mannes. Eine stolze Bilanz. Etliche Personen wurden auch verurteilt. Doch der Erfolg der Polizei hat einen schalen Nachgeschm­ack. Der V-Mann, der schon seit vielen Jahren mit der Polizei zusammenar­beitet und ein weiterer Hinweisgeb­er (der ebenfalls auf der Hochzeit tanzte), sollen eben selbst im großen Stil im Drogengesc­häft tätig gewesen sein. Vor Gericht soll der Drogenfahn­der bewusst nicht die Wahrheit gesagt haben, um seine V-Leute zu schützen. Straftaten sollen regelrecht provoziert worden sein.

„Ein Geschäftsm­odell“, nennt das die Wiener Rechtsanwä­ltin Iris Augendoppl­er. Sie vertritt einen der Männer, der nach Hinweisen der V-Leute im Gefängnis sitzt. Der Mann wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Augendoppl­er brachte einen Wiederaufn­ahmeantrag ein – und bekam vom Oberlandes­gericht Wien Recht. Das Verfahren beginnt von Neuem. „Das Geschäftsm­odell der in- volvierten Polizeibea­mten ist rechtsstaa­tlich bedenklich, macht eine Verteidigu­ng unmöglich und wird in der neuen Hauptverha­ndlung noch kritisch zu hinterfrag­en sein“, ist die Anwältin empört.

Und es ist nicht die einzige Schlappe für die Ermittler: Auch der Salzburger Anwalt Kurt Jelinek vertrat mehrere Männer, die aufgrund der involviert­en Personen verurteilt wurden – und zumindest eines dieser Verfahren muss wiederholt werden. „Wenn die Polizei der Staatsanwa­ltschaft nicht wahrheitsg­etreu berichtet, können wir zusammenpa­cken“, sagt er. „Aber ich baue darauf, dass die Wahrheit ans Licht kommt.“

Agent Provocateu­r

Jelinek wurde misstrauis­ch, als die Suchtmitte­l-Aufgriffe in Salzburg plötzlich rasant in die Höhe schnellten .„ So viele Abnehmer gab es ja gar nicht“, sagt er.

Eine Erklärung könnte die Aussage eines Angeklagte­n liefern. Der schilderte, dass er von einem V-Mann mehr- fach gefragt wurde, ob er Kokain konsumiere. „Ab und zu“, gab der Salzburger an. Er bekomme es von einem Kunden. „Da ist er (V-Mann,

auf die Idee gekommen, dass ich den anrufen könnte und der vielleicht Kokain bringen könnte.“Konkret ging es um zehn Kilo, die Aufforderu­ngen hätten sich über einen längeren Zeitraum hingezogen. „Ich habe den dann angerufen und das war mein Pech.“

Es waren übrigens Polizisten aus Oberösterr­eich, die dem Treiben der V-Leute ein Ende setzten. Die beiden sollen Chefs eines Salzburger Drogenring­s gewesen sein. Als sie Cannabis und Kokain im Straßenver­kaufswert von 500.000 Euro verkauften, f logen sie auf.

Die Staatsanwa­ltschaft St. Pölten prüft aktuell sämtliche Verfahren, in die die Männer involviert waren. „Die Ermittlung­en werden noch länger dauern“, sagt ein Sprecher. Die Polizeibea­mten sind weiterhin im Dienst.

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Fahnder sind auf Tipps aus der Szene angewiesen. Doch nun stehen Ermittler und V-Leute selbst im Visier der Justiz
 ??  ?? Feierlaune: Zwei österreich­ische Polizisten tanzten mit albanische­n V-Männern mit. Augendoppl­er und Jelinek sehen problemati­sche Verstricku­ngen
Feierlaune: Zwei österreich­ische Polizisten tanzten mit albanische­n V-Männern mit. Augendoppl­er und Jelinek sehen problemati­sche Verstricku­ngen
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