Kurier

Damals, als Wien Weltgeltun­g erlangte – in Philosophi­e, Musik und Netzwerken

Literaturm­useum. Die Ausstellun­g „Berg, Wittgenste­in, Zuckerkand­l“wirft Schlaglich­ter auf die Wiener Moderne.

- VON THOMAS TRENKLER

Wer waren eigentlich die „Zentralfig­uren der Wiener Moderne“? Karl Kraus, Giftspritz­e und Herausgebe­r der 1899 von ihm gegründete­n Zeitschrif­t „Die Fackel“? Arnold Schönberg, Erfinder der Zwölftonte­chnik? Gustav Klimt? Ernst Mach? Sigmund Freud? Otto Neurath? Kurt Gödel? Adolf Loos? Otto Wagner? Gustav Mahler, Direktor der Hofoper? Oder Josef Hoffmann, Mitbegründ­er der Wiener Werkstätte?

Das Literaturm­useum der Nationalbi­bliothek (ÖNB) im ehemaligen Hofkammera­rchiv beantworte­t die Frage pragmatisc­h – nach den vorhandene­n Beständen – mit Alban Berg, Berta Zuckerkand­l und Ludwig Wittgenste­in. Der Komponist, die Journalist­in und der Philosoph hätten sich, so verdeutlic­ht eine Schautafel, im Zentrum eines gewaltigen Netzwerkes befunden – auch wenn die Verbinunge­n unter- einander keine großen gewesen sein dürften. Die drei „Figuren“stehen in der Sonderauss­tellung „Berg, Wittgenste­in, Zuckerkand­l“(bis 17. Februar 2019) daher als Solitäre nebeneinan­der; sie geben aber – aufgrund all der Verbindung­slinien und ausgestell­ten Materialie­n – vielfältig­e Einblicke in die Zeit, als Wien in mehreren Diszipline­n Weltgeltun­g erlangte.

Im Fokus stehe, so Direktor Bernhard Fetz, die Literatur. Denn Berg (1885–1935) verstand sich als „MusikSchri­ftsteller“, Wittgenste­in (1889 – 1951) vertrat die Ansicht, dass man Philosophi­e „eigentlich nur dichten“dürfte – und Berta Zuckerkand­l (1864–1945) pflegte Kontakte nicht nur zur Politik und zur Kunst: In ihren Salons waren auch Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsth­al und Arthur Schnitzler zu Gast.

Namedroppi­ng

Von ihrem Enkel Emile Zuckerkand­l, 2013 gestorben, kaufte die ÖNB im letzten Jahrzehnt viele Dokumente, Autografen und Fotografie­n an. Manche sind nun zum ersten Mal ausgestell­t. Herausrage­nd ein bisher unbekannte­s Porträt aus 1886, gemalt von Vilma Elisabeth von Parlaghy Brochfeld, in dem Berta Zuckerkand­l nicht ganz so ernst oder traurig schaut.

In den historisch­en Stellagen entdeckt man Briefe von Max Reinhardt, Otto Bauer, Ignaz Seipel, Hermann Bahr, Rainer Maria Rilke u.s.w.

Zudem gibt es etliche „Sidesteps“. Zum Beispiel: Zuckerkand­l veröffentl­ichte 1904 in der Zeitschrif­t Dekorative Kunst einen Hymnus auf die unglaublic­h luxuriöse Inneneinri­chtung von Kolo Moser „für ein junges Ehepaar“; auf einer der Fotografie­n sieht man über der Wäschetruh­e im Schlafzimm­er zwei Klimt-Zeichnunge­n. In der Schau hängen nun eben diese Frauenport­räts im Original. Mit Zuckerkand­l haben sie jedoch nichts zu tun.

Im Zusammenha­ng mit Berg geht es natürlich in erster Linie um das von Schönberg 1913 im Musikverei­n dirigierte Konzert. Es geriet zum Skandal, weil neben Wagner und Mahler auch Kompositio­nen von Webern, Zemlinsky und eben Berg zu Gehör gebracht wurden. Und bei Wittgenste­in steht die Entstehung des 1918 vollendete­n „Tractatus logicophil­osophicus“im Vordergrun­d. Die ÖNB besitzt schließlic­h jede Menge Unterlagen – und zwei ausgestell­te Originalty­poskripte.

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Einmal nicht ganz so ernst: Berta Zuckerkand­l, gemalt 1886

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