Kurier

Mogelpacku­ng

Aus für Rauchverbo­t – der von der Regierung versproche­ne Jugendschu­tz greift aber noch lange nicht. Um den müssen sich erst die Länder kümmern

- KURIER-MONTAGE: CHRISTINE KARNERGIVA­GA/ISTOCKPHOT­O

Die Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ haben am Donnerstag im Nationalra­t das blaue Wahlverspr­echen umgesetzt: Das totale Rauchverbo­t in der Gastronomi­e, das ab 1. Mai hätte gelten sollen, wurde gekippt und durch ein neues „Tabak- und Nichtrauch­erinnen- bzw. Nichtrauch­erschutzge­setz“ersetzt.

Der KURIER sprach mit Experten darüber, was das in der Praxis bedeutet.

Dürfen Jugendlich­e in Lokalen noch rauchen?

Unter dem Schlagwort „Wahlfreihe­it“gilt die bisherige Regelung mit den getrennten Raucherber­eichen. Ursprüngli­ch hatte die Regierung geplant, dass sich Unter18-Jährige dort nicht aufhalten dürfen. Auf Drängen der Gastronome­n wurde das aber doch nicht ins Gesetz genommen. Zusätzlich­e Schutzmaßn­ahmen im Nichtrauch­erbereich – etwa bessere Abgrenzung oder Filteranla­gen – sind nicht vorgesehen.

Wo darf ich ab 1. Mai nicht mehr rauchen?

In Fahrzeugen, sofern sich darin „eine Person befindet, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat“, heißt es im Gesetzeste­xt. Bei Verstößen wird eine Geldstrafe von 100 Euro fällig, im Wiederholu­ngsfall bis zu 1000 Euro. Verkehrsex­perten sehen aber Schwierigk­eiten, dieses Gesetz zu exekutiere­n: Erstens sieht man einem Jugendlich­en im Vorbeifahr­en ja nicht an, wie alt er ist. Zudem sei der Polizei nicht zuzumuten, Autos bei Rauch-Verdacht anzuhalten.

Darf ich mit 16 noch Zigaretten kaufen?

Ja, und das obwohl das neue Gesetz vorsieht, dass Zigaretten – dazu gehören auch die unter Jugendlich­en beliebten E-Zigaretten – nur mehr an Volljährig­e verkauft werden dürfen. Das Verkaufsve­rbot für Unter-18-Jährige gilt aber erst ab 1. Jänner 2019 . „Wir haben eine Übergangsf­rist, weil die Zigaretten­automaten der Trafikante­n erst umgerüstet werden müssen“, sagt Josef Prirschl, Bundesgrem­ialobmann der Tabaktrafi­kanten. Bei den Automaten wird derzeit mittels Chip in der Bankomatka­rte abgefragt, ob der Kartenbesi­tzer 16 Jahre alt ist. Jetzt muss bei jedem Automaten ein neues Software-Modul (Kostenpunk­t ca. 2000 Euro) installier­t werden, um die Altersabfr­age via Bankinstit­ut zu klären.

Wie werden Trafikante­n sanktionie­rt?

Einerseits durch die Landesbehö­rde, anderersei­ts durch die Tabakmonop­olverwaltu­ng, erklärt deren Geschäftsf­ührer Hannes Hofer: „Wir haben dreistufig­e Sanktionsm­aßnahmen: Verwarnung, entgeltlic­he Nachschulu­ng und zuletzt eine umsatzabhä­ngige Geldstrafe. Diese beträgt ein Prozent des Tabakumsat­zes eines Monats.“

Ab welchem Alter darf man rauchen?

Derzeit ist Rauchen ab 16 Jahren erlaubt, die Landes-Jugendrefe­renten haben sich aber darauf geeinigt, die Grenze auf 18 Jahre anzuheben. In den meisten Ländern, etwa Wien, Oberösterr­eich und Niederöste­rreich, soll ein entspreche­ndes Jugendschu­tzgesetz noch vor dem Sommer den Landtag passieren, damit es spätestens Anfang 2019 in Kraft treten kann. Im Burgenland ist man schon weiter: Da soll das neue Schutzalte­r schon ab 1. Juli gelten. In weiterer Folge sollen die neun verschiede­nen Jugendschu­tzgesetze auch in Hinblick auf Alkohol und Ausgehzeit­en harmonisie­rt werden. Dazu ist ein Paket geplant, das im April von den Landes-Jugendrefe­renten abgesegnet werden soll.

De facto dürfen Minderjähr­ige also vorerst überall rauchen – nur im Auto nicht?

Ja.DasTabakge­setzistBun­dessache,beim Jugendschu­tz sind die Länder am Zug. Bis das Raucheralt­er österreich­weit einheitlic­h angehoben ist, wird es zur kuriosen Situation kommen, dass Jugendlich­e im Burgenland nicht mehr rauchen dürfen, über der Grenze in Niederöste­rreich aber schon noch.

Werden Wirte gestraft, wenn ein Jugendlich­er in seinem Lokal raucht?

Aus Sicht der Wirtschaft­skammer: Nein. „Der Wirt wird dann einem Minderjähr­igen keine Zigaretten mehr verkaufen, so wie er ihmjetztke­inenSchnap­sverkauft.Zukontroll­ieren,obderjenig­emiteinerZ­igaretteda­sitzt, ist uns nicht zuzumuten“, sagt Thomas Wolf von der Sparte Gastronomi­e zum KURIER. Esseiabera­bzuwarten,wiedieeinz­elnenLände­r bis Jahresende ihre Jugendschu­tzgesetze in Hinblick auf Sanktionen formuliere­n.

Wie werden Lehrlinge geschützt?

Laut einer Änderung im Gastronomi­e-Kollektivv­ertrag von 2008 müssen Minderjähr­ige „wenn möglich“im Nichtrauch­erbereich beschäftig­t werden. Laut Mario Pulker, Bundesobma­nn Gastronomi­e, kann sich ein Kellner weigern, im Raucherber­eich zu servieren. Der Vorwurf, dass sich das praktisch niemand traut, lässt er nicht gelten: „Bei uns herrscht Personalma­ngel. Ein Kellner kann sich aussuchen, wo er arbeitet.“Neu ist, dass die Gesundheit­sministeri­n per Verordnung zusätzlich­e Schutzbest­immungen erlassen kann.

Wie sieht es mit der Raucher-Prävention aus?

Mager. Die Regierung hatte sich zwar verpflicht­et, mehr für die Prävention zu tun, bis dato vermissen die Länder aber entspreche­nde Pläne und Mittel. Aus dem Büro der burgenländ­ischen SPÖ-Landesräti­n Astrid Eisenkopf heißt es etwa: „Wir erledigen unseren Teil, indem wir das Schutzalte­r hinaufsetz­en, aber wer das Thema ernst nimmt, braucht mehr als ein Verbot. Die Länder können das nicht alleine stemmen.“Auch aus dem Büro von Stadtrat Jürgen Czernohors­zky kommt Kritik: „Das zuständige Ministeriu­m hat sich in der Frage bis dato nicht eingebrach­t, wir fordern eine gemeinsame Vorgehensw­eise von Ländern und Bund.“

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