Rauch-Debatte: „Sie entscheiden sich bewusst fürs Sterben“
Parlament. Die Oppositionsparteien zerpflückten die Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen nach Kräften. Vergeblich. Die Koalitionsallianz hielt
Hat er das jetzt wirklich getan? Hat er auf das Rednerpult im Parlament gedroschen? Mit der Faust?
Ums kurz zu machen: Ja, er hat. Matthias Strolz konnte oder wollte nicht anders, man weiß es nicht genau.
Der ohnehin meist ziemlich emotionale Klubobmann der Neos steigert an diesem Donnerstag Puls und Timbre und brüllt die ganze Wut hinaus. „Sie handeln wider besseres Wissen und ohne Gewissen! Sie entscheiden sich bewusst fürs Sterben!“
Nun, über den Ausbruch des pinken Klubchefs wird noch zu reden sein. Insbesondere ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer hat hierzu einiges zu sagen, der Wutausgleichsweise bruch galt ja ihm und seinen Fraktionskollegen von der ÖVP. Doch zunächst muss geklärt werden: Was überhaupt hat in Strolz diesen biblischen Zorn entfacht?
Die Antwort ist vergleichsweise unspektakulär: Es ist die Debatte ums Rauchen – und das, was ÖVP und FPÖ an diesem Donnerstag vorhaben.
Auf Wunsch der Freiheitlichen soll das absolute Rauchverbot in Lokalen fallen. Und auch wenn damit ein stärkerer Schutz von Kindern und Jugendlichen einhergehen soll (Rauchverbot in Autos, in denen Unter-18-Jährige mitfahren, Verkaufsverbot für Zigaretten an Unter-18-Jährige) finden die Oppositionsparteien ver- viele Argumente, um insbesondere die ÖVP zu zerpflücken.
Da ist zunächst der Umstand, dass es keinen ernstzunehmenden Grund mehr dafür gibt, Rauchen für klug oder unbedenklich zu halten.
„Sie verraten die Gesundheit unserer Kinder“, wettert die frühere Gesundheitsministerin und nunmehrige SPÖ-Mandatarin Pamela Rendi-Wagner.
In dem Punkt – also bei der Medizin – versuchen ÖVP und FPÖ erst gar nicht groß zu widersprechen.
Ihr Argument ist ein anderes, es heißt „Wahlfreiheit“. Und außerdem, und damit sind wir bei Karl Nehammers Replik auf Matthias Strolz, sei es „ schäbig, das Leid von Todkranken für die politische Agitation zu missbrauchen“.
Tatsächlich hat Strolz Briefe von Todkranken am Pult vorgelesen. Ein Grenzgang, wie so oft. Aber das gilt für die gesamte Debatte.
Strategisch bitter ist für die Volkspartei, dass 28 ihrer Mandatare in der vergangenen Legislaturperiode für ein absolutes Rauchverbot gestimmt haben – und nun exakt das Gegenteil tun sollten.
„Wendehälse“ist ein Wort, das immer wieder fällt.
Am Ende ändert das aber alles nichts mehr: ÖVP und FPÖ heben das Rauchverbot in der Gastronomie wieder auf und verschärfen die Schutzbestimmungen bei Unter-18-Jährigen. „Manchmal ist es mutig gegen die eigene Überzeugung zu handeln“, sagt Carmen JeitlerCincelli. Es ist erst die zweite Parlamentsrede der ÖVPMandatarin. Niemand weiß so recht, warum ausgerechnet ihr der undankbare Part zufällt zu erklären, dass die Loyalität zum Koalitionspartner bisweilen mehr gilt als eigene Überzeugungen.
Der Auftritt ist jedenfalls ein dankbares Fressen für Neos-Mann Gerald Loacker. „Um achteinhalbtausend Euro sollten Sie sich ihre Meinung nicht abkaufen lassen!“, wirft er der neuen Mandatarin entgegen. Und vielleicht hat sie in dem Moment kurz an Josef Smolle gedacht.
Der frühere Rektor der Grazer Uni ist jetzt ÖVP-Mandatar und hat von Beginn an kein Hehl daraus gemacht, dass er mit der Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen so gar keine Freude hat. Wie sollte er auch, Smolle ist Arzt.
Klublinie und Sprachregelung brachten ihn deshalb in den vergangenen Tagen und Wochen zunehmend in Bedrängnis – was soll man schon sagen, wenn man weiß, dass die eigene Meinung so gar nicht zu der des Koalitionspartners passt?
Doktor Smolle löste das Dilemma gestern auf seine Weise: Er ging nach Hause – und dort einmal mehr vor peinlichen Fragen in Deckung.