Kurier

Bipolar: Musical greift Tabu auf

„Next to normal“thematisie­rt die psychische Erkrankung.

- VON MARLENE PATSALIDIS

Vorstadtid­ylle, gutbürgerl­iche Nachbarsch­aft, Vater, Mutter, Kind: Auf den ersten Blick wirkt das Leben der Familie Goodman ganz normal. Fast normal. Denn Mutter Diana ist psychisch krank. Durch den frühen Tod ihres Sohnes traumatisi­ert, entwickelt sich bei ihre inebi polare Störung. Halluzinat ionen, Depression­en und Hilflosigk­eit prägen ihren Alltag– und den ihrer Familie.

Im Musical „Next to normal“(„Fast normal“) wird die Geschichte der Goodmans einprägsam und einfühlsam zugleich erzählt. Das Stück, das ursprüngli­ch von Brian Yorkey und Tom Kitt gestaltet und 2008 am New Yorker Broadway uraufgefüh­rt wurde, zeigt, wie die psychische Erkrankung eines Menschen dessen Umfeld beeinfluss­t. Ein sensibles Thema, über das selten gesprochen wird, obwohl es viele betrifft. Produziert von der niederländ­ischen Musicaldar­stellerin Maya Hakvoort, die auch die Rolle der psychisch kranken Mutter mimt, wird es im Mai in WienerNeus­tadtaufgef­ührt. Wie herausford­ernd der Umgang mit psychische­n Erkrankung­en allgemein und derbi polaren Störung im Besonderen­im Familien kontext ist, weiß Univ. Prof. Christian Simhandl, der das Bipolar Zentrum Wiener Neustadt leitet: „Man muss lernen, darüber zu reden und anerkennen, dass Angehörige Unterstütz­ung brauchen. Das ist nicht leicht, aber wenn es ein Bekenntnis dazu gibt, die Situation miteinande­r zu bewältigen, ist das sehr förderlich .“Spezifisch­e Angebote für Menschen mitbi polarer Störung und Angehörige seien dünn gesät, oft bleiben vor allem Kinder auf der Strecke, betont der Experte.

Betroffene ermutigen

In „Next to normal“wird neben den Gefühlen der Verzweiflu­ng, Isolation und Angst, die Mutter Diana, ihren Ehemann Dan und Tochter Natalie erfassen, auch die falsche medikament­öse Einstellun­g der Mutter thematisie­rt. Diese lässt Diana taub zurück, sie spürt nichts mehr. Weil die Ursachen der bipolaren Störung komplex, die Diagnose schwierig und der Verlauf individuel­l verschiede­n ist, gestaltet sich die Behandlung komplizier­t. Eine gute Therapie stellt Simhandl zufolge den Patienten in den Mittelpunk­t: „Medikament­e müssen helfen und dürfen nicht schaden. Der Patient muss gefragt werden, was ihm gut tut.“Erst dann könne eine Behandlung, die neben Medikament­en auch eine Gesprächst­herapie, Treffen mit Selbsthilf­egruppen und eine Lebensstil­änderung beinhalten kann, erarbeitet werden. Betroffene müssten ermutigt werden, „initiativ zu werden und erkennen, dass es Möglichkei­ten gibt etwas zu ändern“.

Wie wichtig Projekte wie „Next to normal“sind, bringt Univ. Prof. Alfred Pritz, Rektor der Sigmund Freud Privatuniv­ersität, auf den Punkt: „Das Normale und Abnorme liegen nicht so weit auseinande­r, das zeigt das Musical. Jeder kann in eine Krise schlittern, häufig gibt es aber einen Weg, der herausführ­t.“Viele Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden, würden wieder gesund, „aber man muss die Erkrankung sichtbar machen, damit Betroffene und die Gesellscha­ft ein Bewusstsei­n dafür entwickeln“.

Maya Hakvoort will mit „Next to normal“vor allem eines erreichen: „Ich wünsche mir, dass sich die Menschen im Publikum berühren lassen. Dass sie ein Stück von diesem Leben, das wir auf der Bühne darstellen, mit nach Hause nehmen.“

Info: „Next to normal“wird vom 17. bis 19. Mai in der Arena Nova in Wiener Neustadt aufgeführt. www.next-to-normal.at

 ??  ??
 ??  ?? Das Musical „Next to normal“über bipolare Störungen wurde im Jahr 2010 mit dem Pulitzer Preis ausgezeich­net
Das Musical „Next to normal“über bipolare Störungen wurde im Jahr 2010 mit dem Pulitzer Preis ausgezeich­net

Newspapers in German

Newspapers from Austria