„Tendenzen zu sehen wäre Alarmismus“
Politologe Fritz Plasser über illiberale Demokratien und die Entwicklung in Europa
KURIER: Die Bertelsmann-Studie sieht Rückschritte in Sachen Demokratie. Warum wählen die Menschen Politiker, die dann Freiheiten einschränken? Fritz Plasser: Ich gehe nicht davon aus, dass der Durchschnittswähler mit seiner Stimme Freiheitsrechte einschränken will. Autokratisch oder illiberal denkende Spitzenpolitiker wie Viktor Orban argumentieren nationalkonservativ oder -populistisch und geben vor, den Kern der nationalen Identität zu schüzten. Sie gehen davon aus, dass dieser bedroht wird. Da ist es vergleichsweise leicht, Einschränkungen vorzunehmen.
Warum wollen diese Parteien überhaupt Einschränkungen der politischen Freiheiten?
Macht. Es geht um nichts anderes als die Absicherung der Macht. Es kann nie genug sein. Doch für mich stellt sich die Frage, wann der Punkt eintritt, dass das größere Bevölkerungsteile als Problem sehen. Der Punkt ist für mich unausweichlich. Nur wann er eintritt, ist unklar.
Man hat den Eindruck, dass die illiberalen Tendenzen steigen. Auch in Europa.
Mit Ausnahme von Ungarn und Polen, wo es evident ist und wo sich die EU damit auseinandersetzt, sehe ich keine Tendenzen. Das wäre Alarmismus. Ich denke, es ist nicht damit zu rechnen, dass auch in anderen Ländern Einschränkungen der Rechte zu erwarten sind. Vertraut auf die Kontrolle der Medien: Politologe Fritz Plasser Aber einige Regierungen scheinen sich von Orban Strategien abzuschauen...
Ja. Vor allem Rechtspopulisten schauen voneinander ab – insbesondere dieses Gefühl, dass unsere kulturelle Identität durch die Migration bedroht wird.
Hängen Populismus und Autokratie zusammen?
Ja, sehr. Der Populist sieht die Stimmung im Volk höher an als die gesetzlichen Normen – diese müssen sich in weiterer Folge anpassen. Doch das Problem ist, dass die Stimmung keine objektiv interpretierte Größe ist. Sie wird übertrieben oder vereinfacht dargestellt.
Sehen Sie die Gefahr, dass es in Europa bald mehr illiberale Demokratien gibt?
Nein. Ich weiß, dass es Stimmen gibt, die dies auch für Österreich befürchten. Aber ich sehe hier keine Anzeichen zum Abbau rechtsstaatlicher Instanzen. Vorsicht ist natürlich geboten, dafür sorgen die Beobachter des freien politischen Journalismus.
Soziale Ungleichheit
„Immer weniger Regierungen gelingt es, soziale Spannungen auszugleichen, oder sie verschärfen diese Spannungen sogar“, erklärt Projektmanager Schwarz die Gründe für ein Erstarken des Autoritarismus.
„Aktuell scheitern De eskalationund Konsensbildung vor allem im bürgerkriegs zerrütteten Jemen und im korrupt ions geplagten Brasilien “, erläutert der Experte Dazu würden Armut und soziale Ungleichheit in vielen Ländern rapide zunehmen. „Die Vertrauenskrisen in die Eliten, die die autokratischen Regierungen erst an die Macht gebracht haben, halten angesichts dieser Umstände an.“