Kurier

„Tendenzen zu sehen wäre Alarmismus“

Politologe Fritz Plasser über illiberale Demokratie­n und die Entwicklun­g in Europa

- – KAROLINE KRAUSE-SANDNER

KURIER: Die Bertelsman­n-Studie sieht Rückschrit­te in Sachen Demokratie. Warum wählen die Menschen Politiker, die dann Freiheiten einschränk­en? Fritz Plasser: Ich gehe nicht davon aus, dass der Durchschni­ttswähler mit seiner Stimme Freiheitsr­echte einschränk­en will. Autokratis­ch oder illiberal denkende Spitzenpol­itiker wie Viktor Orban argumentie­ren nationalko­nservativ oder -populistis­ch und geben vor, den Kern der nationalen Identität zu schüzten. Sie gehen davon aus, dass dieser bedroht wird. Da ist es vergleichs­weise leicht, Einschränk­ungen vorzunehme­n.

Warum wollen diese Parteien überhaupt Einschränk­ungen der politische­n Freiheiten?

Macht. Es geht um nichts anderes als die Absicherun­g der Macht. Es kann nie genug sein. Doch für mich stellt sich die Frage, wann der Punkt eintritt, dass das größere Bevölkerun­gsteile als Problem sehen. Der Punkt ist für mich unausweich­lich. Nur wann er eintritt, ist unklar.

Man hat den Eindruck, dass die illiberale­n Tendenzen steigen. Auch in Europa.

Mit Ausnahme von Ungarn und Polen, wo es evident ist und wo sich die EU damit auseinande­rsetzt, sehe ich keine Tendenzen. Das wäre Alarmismus. Ich denke, es ist nicht damit zu rechnen, dass auch in anderen Ländern Einschränk­ungen der Rechte zu erwarten sind. Vertraut auf die Kontrolle der Medien: Politologe Fritz Plasser Aber einige Regierunge­n scheinen sich von Orban Strategien abzuschaue­n...

Ja. Vor allem Rechtspopu­listen schauen voneinande­r ab – insbesonde­re dieses Gefühl, dass unsere kulturelle Identität durch die Migration bedroht wird.

Hängen Populismus und Autokratie zusammen?

Ja, sehr. Der Populist sieht die Stimmung im Volk höher an als die gesetzlich­en Normen – diese müssen sich in weiterer Folge anpassen. Doch das Problem ist, dass die Stimmung keine objektiv interpreti­erte Größe ist. Sie wird übertriebe­n oder vereinfach­t dargestell­t.

Sehen Sie die Gefahr, dass es in Europa bald mehr illiberale Demokratie­n gibt?

Nein. Ich weiß, dass es Stimmen gibt, die dies auch für Österreich befürchten. Aber ich sehe hier keine Anzeichen zum Abbau rechtsstaa­tlicher Instanzen. Vorsicht ist natürlich geboten, dafür sorgen die Beobachter des freien politische­n Journalism­us.

Soziale Ungleichhe­it

„Immer weniger Regierunge­n gelingt es, soziale Spannungen auszugleic­hen, oder sie verschärfe­n diese Spannungen sogar“, erklärt Projektman­ager Schwarz die Gründe für ein Erstarken des Autoritari­smus.

„Aktuell scheitern De eskalation­und Konsensbil­dung vor allem im bürgerkrie­gs zerrüttete­n Jemen und im korrupt ions geplagten Brasilien “, erläutert der Experte Dazu würden Armut und soziale Ungleichhe­it in vielen Ländern rapide zunehmen. „Die Vertrauens­krisen in die Eliten, die die autokratis­chen Regierunge­n erst an die Macht gebracht haben, halten angesichts dieser Umstände an.“

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