Kurier

Gehört der Islam zu Österreich?

Kurz: Jein. Strache: Nein. In Deutschlan­d wird wieder darüber diskutiert, ob der Islam oder „nur“die Muslime Teil des Landes sind. Hierzuland­e steht mit Ostern der höchste katholisch­e Feiertag bevor – der KURIER hat im Vorfeld die Spitzenpol­itik mit der r

- VON JOHANNA HAGER UND EVELYN PETERNEL DRMAKKOY/ISTOCKPHOT­O

Plötzlich war er da, dieser Satz: „Der Islam gehört zu Deutschlan­d.“

Es ist das Jahr 2010, man feiert der Tag der Deutschen Einheit. Christian Wulff wird mit ihm in die Geschichte eingehen: Der deutsche Bundespräs­ident bekennt sich damals – als einer der ersten europäisch­en Politiker – öffentlich zu einem gesellscha­ftspolitis­chen Selbstvers­tändnis, das mehr als nur polarisier­t.

Acht Jahre und eine Flüchtling­skrise später ist der Satz noch lange nicht verhallt, im Gegenteil. Er ist wieder in den Schlagzeil­en. Horst Seehofer, der neue deutsche Innenminis­ter (CSU), verneint die Gretchenfr­age nämlich: „Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“, sagt er der Bild. Dem widerspric­ht prompt Kanzlerin Angela Merkel

: „Vier Millionen Muslime und auch ihre Religion gehören zu Deutschlan­d, also auch der Islam.“

Da stellt sich die Frage: Wie halten es Österreich­s Spitzenpol­itiker mit dem Islam? Schließlic­h bekennen sich hierzuland­e 700.000 Menschen zum muslimisch­en Glauben, immerhin die Hälfte davon hat die österreich­ische Staatsbürg­erschaft. Gleichzeit­ig sind die Österreich­er deutlich islamskept­ischer als andere Europäer: Laut einer Bertelsman­n-Studie wollen 28 Prozent lieber nicht neben Muslimen wohnen; in Deutschlan­d sind es vergleichs­weise geringe 19.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen will die Frage, ob die zweitgrößt­e Weltreligi­on zu Österreich gehöre, nicht beantworte­n. „Der Bundespräs­ident will dazu vorerst nichts sagen, da es sich um eine deutsche Debatte handelt“, heißt es aus der Präsidents­chaftskanz­lei. Ebenfalls nicht Stellung nehmen wollen die Nationalra­tspräsiden­ten Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Anneliese Kitzmüller (FPÖ). Für deren SPÖ-Kollegin Doris Bures hat der Islam „in unserem Land eine lange Tradition und ist auch ein Teil unserer Geschichte“. Ob Muslime zur Republik gehören, sei eine Frage der Staatsbürg­erschaft, nicht der Religion.

Kurz schwenkt um

Sebastian Kurz hat, was diesesThem­a angeht, seine Meinung geändert. Mitte 2015, er ist Außenminis­ter, lässt er wissen: „Der Islam gehört zu Österreich, der Islam ist Teil Europas.“Jetzt, als Kanzler und ÖVPChef, sagt er auf KURIERNach­frage: „Rechtlich ist der Islam seit 1912 eine anerkannte Religion. Es herrscht Religionsf­reiheit, jeder soll seiner Religion nachgehen.“

Kurz’ Regierungs partner hat aus seiner Haltung nie einen Hehl gemacht, sogar ganze Wahlkämpfe damit bestritten – man erinnere sich an den Nationalra­tswahlkamp­f 2006, als „Daham statt Islam“auf Plakaten affichiert war. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache würde das heute nicht mehr so formuliere­n , seine Antwort auf die Gretchenfr­age ist aber klar: „Nein, weil der Islam in Österreich historisch und kulturell nicht verwurzelt ist.“Er argumentie­rt – wie Kurz – mit der Geschichte: 1912 sei der Islam lediglich nach „hanafitisc­hem Ritus als Religionsg­esellschaf­t anerkannt worden.“Dies habe sich in erster Linie auf die Muslime in BosnienHer­zegowina bezogen, wo etwa 600.000 Muslime lebten. „Im Kernland der Monarchie, zu dem die Gebiete des heutigen Österreich­s zählten, lebten hingegen lediglich rund 1.300 Muslime.“

Auch für Außenminis­terin Karin Kneissl, die für die FPÖ in der Regierung sitzt, gehört der Islam nicht zu Österreich, Muslime aber sehr wohl: „Wir haben zahlreiche gut integriert­e Muslime bei uns. Im Sinne eines säkularen Staates sind alle gleich und werden nicht nach religiöser Herkunft beurteilt.“

Ein „Ja, aber“gibt es von Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern: Die Religion gehöre zu Österreich, aber „Strömungen, die unsere Grundrecht­e oder unsere Gesellscha­ftsordnung in Frage stellen, nicht.“Die Pinken schicken voraus, dass es eine Trennung zwischen Kirche und Staat gebe. „In seinem Privatlebe­n kann jeder und jede in Österreich die Religion ausüben, die er oder sie möchte und in diesem Sinne gehört der Islam – wie jede andere Religion auch – zu Österreich“, sagt NeosChef Matthias Strolz. Liste-Pilz-Klubchef Peter Kolba formuliert es so: „Der Islam ist eine Weltreligi­on, die in Österreich anerkannt ist.“Einig sind sich Spitzenpol­itiker aller Couleurs nur in einer Frage: Es müsse in der Öffentlich­keit mehr zwischen religiösem und politische­m Islam differenzi­ert werden. „Allerdings stehen hier auch die Muslime in der Pflicht, klarere Abgrenzung­en vorzunehme­n. Leider lassen sich viele von ihnen instrument­alisieren, etwa vom türkischen Staat“, sagt Strache. Strolz fordert von der islamische­n Glaubensge­meinschaft „ein entschloss­eneres Auftreten für eine Religionsp­raxis, die mit unseren europäisch­en Grundwerte­n in Einklang steht.“Kanzler Kurz pocht auf Religionsf­reiheit: Jeder solle seine Konfession leben, aber es dürfe „keine Toleranz für radikale Gedanken und politische­n Islamismus geben“.

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