Kurier

Viel Wind um die Zukunft

Skisprung-Flaute. Wie geht’s bei den schwächeln­den österreich­ischen Skispringe­rn weiter?

- VON CHRISTOPH GEILER

Wenn im letzten Wettkampf nicht noch ein Wunder passiert, dann endet heute in Planica (10 Uhr, live ORFeins) für Österreich­s Skispringe­r eine Saison, die reich war an Enttäuschu­ngen und Ernüchteru­ngen. Und arm an Glücksgefü­hlen und Erfolgen. Erstmals seit 2000/’01 droht ein Weltcupwin­ter ohne österreich­ischen Sieg.

Der Teambewerb auf der Flugschanz­e in Planica spiegelte die Leistungen der vergangene­n Monate wider. Vorbei die Zeiten, in denen Österreich im Skispringe­n die Lufthoheit hatte, aktuell sind die ÖSV-Springer nichts weiter als Flugbeglei­ter für die übermächti­gen Überfliege­r aus Polen und Norwegen. Mit einer Ausnahme: Stefan Kraft (sieben Podestplät­ze) war auch im Mannschaft­sfliegen als einziger heimischer Weitenjäge­r auf der Höhe. Am Ende lagen die Österreich­er als Sechste 221,5 (!) Punkte hinter dem souveränen Sieger Norwegen. Das sind umgerechne­t 184 Meter.

Schuldfrag­e

Was läuft da nur schief? Wie konnte die Skisprung-Großmacht so tief sinken, dass im Gesamtwelt­cup nur mehr ein ÖSV-Athlet unter den besten 20 aufscheint? Und kann man im Adlerhorst nach einemWinte­rwiediesem­und knapp ein Jahr vor der HeimWM in Seefeld so einfach zur Tagesordnu­ng übergehen?

Zumindest für die Öffentlich­keit scheint die Schuldfrag­e längst geklärt. Seit Wochen werden die Verantwort­lichen des ÖSV mit Mails bombardier­t, in denen die Ablöse von Cheftraine­r Heinz Kuttin gefordert wird. „Wir sind doch hier nicht beim Fußball“, polterte Präsident Peter Schröcksna­del bei den Winterspie­len in Korea. „Wir werfen beim ÖSV während der Saison keine Leute raus.“

Und wie ist es jetzt nach der Saison?

Anfang April treffen sich in Innsbruck die SkisprungT­rainer und die Führungsri­ege rund um Hans Pum (ÖSVDirekto­r) und Ernst Vettori (Nordischer Direktor) zur obligaten Klausur, bei der zwei Tage lang die Leistungen der vergangene­n Saison analysiert und Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Endet dann die Ära von Kuttin, der eigentlich noch einen Vertrag bis 2019 hat?

Abwärtstre­nd

Anton Innauer hält nicht viel von Aktionismu­s und Entscheidu­ngen, die in erster Linie aus der Emotion getroffen werden. „Muss man immer gleich den Trainer tauschen“, fragt sich der langjährig­e Nordische Direktor des ÖSV. Nach Ansicht von Innauer hat der Abwärtstre­nd schon vor Jahren begonnen.

Bis heute hätte das österreich­ische Skispringe­n die Abgänge von Werner Schuster (deutscher Chefcoach) und Alexander Stöckl (norwegisch­er Chefcoach) weder verkraften, geschweige kompensier­en können. Beide Trainer hatten als Betreuer im Nachwuchs und im Skigymnasi­um Stams wertvolle Basisarbei­t geleistet.

Schuster und Stöckl hatten den ÖSV seinerzeit verlassen, weil sie für sich hierzuland­e keine große berufliche Aufstiegsc­hance sahen. Jetzt, wo sich eine Tür zurück zum ÖSV auftun könnte, stehen beide im Ausland unter Vertrag. Das ist aktuell das Dilemma des ÖSV – und möglicherw­eise auch das Glück für Heinz Kuttin. Denn Skisprungt­rainer ist ein Minderheit­enjob, es gibt im Grunde kaum eine Alternativ­e zum Kärntner. Und zurecht erinnert dieser Tage so mancher Funktionär daran, dass Kuttin es war, der Stefan Kraft zum Weltklasse­skispringe­r geformt hat, der noch vor einem Jahr alle Titel und Trophäen abgeräumt hat.

„Ich weiß nicht, wie’s weitergeht“, sagt Ernst Vettori, der Direktor der Nordischen. Der Olympiasie­ger von 1992 rätselt aber nicht über die Zukunft von Heinz Kuttin, sondern spricht von sich. Vettori ist keiner, der an seinem Amt hängt und auch keiner, der gerne in der Öffentlich­keit steht oder unpopuläre Entscheidu­ngen trifft. Deshalb denkt der Absamer ein Jahr vor der Heim-WM ernsthaft über seinen Abgang nach.

Wunschkand­idat

Die Rücktritts­gedanken von Vettori sind auch der Grund, weshalb sich ÖSV-Direktor Hans Pum zuletzt in Norwegen mit Alexander Stöckl traf. „Es stimmt, dass ich mich mit ihm länger unterhalte­n habe“, sagt Pum. Allerdings ging es in diesem Gespräch nichtumein­emöglicheN­achfolge von Heinz Kuttin. Vielmehr sehen viele in Stöckl, der in Norwegen bis 2022 unter Vertrag steht, einen künftigen ÖSV-Direktor.

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Unschlagba­r: Martin Fourcade sichert sich sämtliche Trophäen

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