Kurier

Was auf dich zukommt“

-

Doch so einfach ist auch das nicht: „Wenn wir 14 Tage wegfahren, muss ich zwei große Reisetasch­en zu je 12,5 Kilogramm Gewicht mitnehmen – mit medizinisc­hen und Pflegeprod­ukten, etwa Verbandsma­terial. Diese brauche ich immer bei mir und könnte sie zum Beispiel am Flughafen nicht abgeben – das Risiko, dass sie verloren gehen, wäre zu groß.“

Natürlich hätte er „auch gerne einmal drei Wochen eine Auszeit“, sagt Robert. „Irgendwo hinfahren, an nichts denken.“Seine Frau Helga hakt hier ein: „Manchmal hast du schon einen ordentlich­en Stress.“– „Aber noch geht es“, antwortet ihr Mann. „Im Büro habe ich oft 14 Stunden am Tag gearbeitet – aber am Schluss sah ich darin keinen Sinn mehr. Das hat in den Abgrund geführt. Heute arbeite ich als pf legender Angehörige­r auch sehr viel – aber ich bin motiviert, weil es meinem Leben einen Sinn gibt. Deshalb erlebe ich die Situation, trotz aller Belastunge­n, positiv. Alles in allem geht es mir wirklich nicht schlecht.“

Es gebe viele Männer, die in so einer Situation davonlaufe­n: „Es gab viele Jahre in meiner berufliche­n Zeit, in denen ich rund sechs Monate unterwegs war. Jetzt schenke ich meiner Frau etwas zurück.“Durch die Pf lege „wurde unsere Beziehung noch intensiver, auf eine besondere Art und Weise fester und zärtlicher. Es ist eine andere Art von Nähe geworden, eine mit vielen kleinen, tiefen Glücksmome­nten. Etwa, wenn wir in Abbazia auf einer Hotelterra­sse sitzen und in den Sternenhim­mel schauen.“

Um nicht auszubrenn­en, sucht Robert einen Ausgleich. „Ich lese sehr viel, mache Nordic Walking, gehe viel mit unserem Dackel spazieren. Aber mein wirkliches Hobby sind Pferde.“Er ist ausgebilde­ter Gespannfah­rer für Ein- und Zweispänne­r: Einmal die Woche fährt Robert bei einem Freund in Mannswörth mit einem Pferdegesp­ann aus: „Stall ausmisten, Pferde putzen, anschirren, anspannen, zwei Stunden fahren – das ist Erholung pur.“„Noch schaffe ich es alleine“, sagt er, „auch wenn es Tage gibt, wo es mir fast zu viel wird. Aber ich versuche, optimistis­ch zu bleiben.“Robert ist sich bewusst, dass viele Pflegende Hilfe zu spät annehmen und so Gefahr laufen auszubrenn­en. Um das zu vermeiden, besucht er eine Angehörige­ngruppe der Selbsthilf­eorganisat­ion „Alzheimer Austria“– zur Reflexion, zum Austausch und zur Weiterbild­ung. In dieser ist er übrigens – mit neun Frauen – der einzige Mann.

Robert Springer bildet sich auch viel weiter. „Ich bin an allem interessie­rt. Ich lese und lerne viel, über Krebs, Alzheimer, die Pflege. Das hilft mir sehr und gibt mir Sicherheit und Widerstand­skraft, Resilienz. In der Angehörige­ngruppe lerne ich mit Hilfe der Methode der Validation, die Sprache eines Menschen mit Alzheimer zu verstehen, mit seinen Gefühlen und Emotionen richtig umzugehen.“– Helga Springer: „Du weißt, was auf dich zukommt.“

Morgen: Was die Präsidenti­n des Krankenpfl­egeverband­es, Ursula Frohner, fordert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria