Kurier

„Damit habe ich nicht gerechnet“

Unterstütz­ung. Was Organisati­onen für pflegende Angehörige fordern

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80 Prozent der pflegebedü­rftigen Menschen in Österreich werden zu Hause gepflegt: 700.000 bis 800.000 pflegende Angehörige gibt es in Österreich. „Zu achtzig Prozent sind es Frauen“, sagt Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidenti­n der „Interessen­gemeinscha­ft pflegender Angehörige­r“. „Das größte Problem ist, dass die wenigsten wissen, welche Unterstütz­ungsangebo­te es gibt – und wie sie diese in Anspruch nehmen können.“

Jeder hoffe, nicht mit dem Thema konfrontie­rt zu werden: „Wenn es dann so weit ist, bricht häufig das Chaos aus: ,Damit habe ich nicht gerechnet‘ – diesen Satz höre ich oft. Man macht zwar Familienpl­anung, aber keine Planung für den Fall, wenn ein Angehörige­r plötzlich Pf lege benötigt.“

Die finanziell­e Unterstütz­ung pflegender Angehörige­r müsste dringend aufgestock­t werden, fordert Meinhard-Schiebel: „Es wurde zwar eine Valorisier­ung des Pflegegeld­es der Pflegestuf­e vier angekündig­t – aber nicht von Stufe eins (157,30 € im Monat, Anm.) und zwei (290 €).“

Auch Antonia Croy, Präsidenti­n der Selbsthilf­eorganisat­ion Alzheimer Austria, fordert mehr finanziell­e Mittel. „Mit dem Pflegegeld kommt man nie aus und kann nur die allerwicht­igsten Basiskoste­n abdecken.“Egal, ob Physiother­apie, Ergotherap­ie oder Musikthera­pie: „Es gibt viele Angebote, aber in der Regel werden den Betroffene­n immer nur ein paar Stunden gezahlt, für eine längere Therapieda­uer muss man privat aufkommen.“Die Unterstütz­ung der Pflege zu Hause sei auch die kostengüns­tigere Variante – im Vergleich zu Pflegeheim­en: „Und die meisten Menschen wollen ja in ihrer gewohnten Umgebung bleiben.“Das Wichtigste für Angehörige sei das Gespräch mit anderen Angehörige­n: „Dazu bieten wir etwa unsere regelmäßig­en Treffen im ,Alzheimer Café‘ an.“

Viel komplexer

„Die Pf lege zu Hause ist heute viel komplexer als früher zu Beginn der neunziger Jahre“, sagt Ursula Frohner. Präsidenti­n des Österr. Gesundheit­sund Krankenpf legeverban­des. „Die Menschen kommen in einem immer rekonvales­zenteren Zustand nach Hause“, es würden oft auch mehr chronische Krankheite­n gleichzeit­ig auftreten. Deshalb müsse es ein besseres Netzwerk zwischen Angehörige­n und der Fachpflege geben. Wobei Frohner lieber von „betreuende­n Angehörige­n“als „pflegenden Angehörige­n“spricht: „Der Begriff ,Pflege‘ wird sehr inflationä­r verwendet und dadurch bagatellis­iert.“

Meinhard-Schiebel widerspric­ht: „Angehörige betreuen und pflegen. Sie verrichten ganz eindeutig Pflegetäti­gkeiten.“Wo die beiden übereinsti­mmen: „Wichtig wäre, dass Angehörige zu Hause stärker als bisher durch öffentlich finanziert­e diplomiert­e Pflegekräf­te geschult und unterstütz­t werden.“

 ??  ?? Robert Springer nach 35 Jahren Ehe: „Unsere Beziehung ist noch intensiver und zärtlicher geworden“
Robert Springer nach 35 Jahren Ehe: „Unsere Beziehung ist noch intensiver und zärtlicher geworden“
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Antonia Croy, Selbsthilf­eorganisat­ion Alzheimer Austria
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Birgit Meinhard-Schiebel, IG pflegender Angehörige­r

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