Kurier

„Wir fürchten Amazon nicht“

Heinrich Schaller. 200 Jahre nach Raiffeisen­s Geburt sehen sich die Giebelkreu­zler gut für die Zukunft aufgestell­t

- VON JOSEF ERTL

Heinrich Schaller (58) ist seit 1. April 2012 Generaldir­ektor der Raiffeisen-Landesbank Oberösterr­eich.

KURIER: Raiffeisen feiert kommenden Freitag den 200. Geburtstag ihres Gründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Die Motivation für sein sozialpoli­tisches Handeln war sein in der Bibel gegründete­r Glaube. Er schrieb: „Wir betonen ausdrückli­ch die christlich­e Nächstenli­ebe, welche in der Gotteslieb­e und in der Christenpf­licht wurzelt, daraus ihre Nahrung zieht und, je mehr geübt, umso kräftiger, umso nachhaltig­er wirkt.“Wo ist diese Nächstenli­ebe bei Raiffeisen spürbar? Heinrich Schaller: Man kann das, was Raiffeisen gesagt hat, nicht eins zu eins auf die Gegenwart übertragen. Der Grundgedan­ke von Raiffeisen hat sich weniger im religiösen, sondern im ethischen Sinn weiterentw­ickelt. Es geht uns um Nachhaltig­keit und um die Entwicklun­g der Regionen, denen wir uns verpflicht­et fühlen. Das wiederum kommt den Menschen zugute.

KURIER: Aber die kleinen Raiffeisen­banken werden weniger und fusioniere­n sich zu größeren Verbänden.

Das eine hat mit dem anderen nicht unmittelba­r etwas zu tun. Raiffeisen Oberösterr­eich ist der wichtigste finanziell­e Nahversorg­er und es gibt kein Konzept, dass man sich aus der Region verabschie­den will. Im Sinne der Effizienz und einer besseren Zusammenar­beit, von der auch unsere Kunden profitiere­n, sind Zusammenle­gungen durchaus sinnvoll. Wenn sich selbststän­dige Banken zusammensc­hließen trägt dies auch dazu bei, ein bewährtes Modell aufrecht zu erhalten und zu stärken. Zu berücksich­tigen ist weiters, dass die Mobilität der Menschen eine wesentlich größere geworden ist.

KURIER: Die Landesbank­en arbeiten auf Österreich­ebene ebenfalls zusammen. Wie weit ist diese gediehen?

Wir machen gemeinsame Projekte, die für eine einzelne Landesbank sehr teuer wären. Es geht beispielsw­eise um eine gemeinsame Plattform bei der Digitalisi­erung. Wir arbeiten daran, die IT Schritt für Schritt zu harmonisie­ren.

KURIER: Können die Landesbank­en in der langen Frist selbststän­dig bleiben?

Ja, wenn die Kosten im Griff sind. Das geht aber nur gemeinsam.

KURIER: Die Raiffeisen­landesbank Oberösterr­eich machte im vergangene­n Jahr mehr als 500 Millionen Euro Gewinn. Was machen Sie mit diesem Geld?

Wir stärken unser Eigenkapit­al. Denn sie ist die starke Basis für unsere Kundenorie­ntierung, unser Agieren am Markt im Sinne der Kun- den. Nach den vorläufige­n Zahlen für das Jahr 2017 werden wir beim harten Kernkapita­l einen Wert von 15,7 Prozent erreichen. Das ist eine sehr gute Basis. Damit sind wir für unsere Kunden ein starker und verlässlic­her Partner.

KURIER: Keine Ausschüttu­ngen?

Von der RLB OÖ an ihre Eigentümer schon. Denn die Raiffeisen­banken haben auch Kapital in dieRai ff eisen landes bank investiert. Die ober österreich­ischen Raiffeisen­banken sind erfolgreic­h und es ist wichtig, dass sie gute Ergebnisse erwirtscha­ften. Vor allem deshalb, damit sie von externen Faktoren nicht angreifbar sind.

KURIER: Was heißt das?

Die Anforderun­gen an Regionalba­nken sind inzwischen so hoch, dass sich jeder anstrengen muss. Dazu braucht man Kapital. Man muss hier anführen, dass die Raiffeisen­banken für die Regionen viel tun: durch Finanzieru­ngen von Unternehme­n, Privatpers­onen und Institutio­nen, aber auch durch die Unterstütz­ung von Vereinen und Verbänden oder Veranstalt­ungen. Die Werte von Friedrich Wilhelm Raiffeisen werden also weiterhin gelebt.

KURIER: Der amerikanis­che Online-Händler Amazon will seinen Kunden nicht nur Produkte verkaufen, sondern ihnen auch Kredite zur Verfügung stellen. Das bedeutet Konkurrenz für die Banken.

Ich sehe das relativ gelassen. Hier geht es um Konsumfina­nzierung. Das machen

wir auch, aber bei uns geht es primär um die Finanzieru­ng von Wohnraum, von Firmen, es geht um Eigenkapit­alunterstü­tzung für Unternehme­n. Wir werden das, was Amazon online macht, in Kürze auch online anbieten. Ich fürchte mich nicht wirklich davor.

KURIER: Sie wollen am Europaplat­z auf dem derzeitige­n Gelände von Lutz neu bauen, Lutz soll an die Hafenstraß­e übersiedel­n. Warum?

Das Gebäude wurde zu Beginn der 1970er-Jahre errichtet. Es ist also in die Jahre gekommen und entspricht auch nicht mehr dem Standard eines modernen Bürogebäud­es. Es gibt also die Möglichkei­ten einer Generalsan­ierung oder eines Neubaus. Wir lassen momentan einen Neubau am Lutz-Gelände prüfen. Die Prüfungen der Behörden laufen, der Ausgang ist offen.

KURIER: Was machen Sie mit der derzeitige­n Zentrale?

Das ist noch nicht entschiede­n.

KURIER: Wann soll der Neubau bezogen werden?

Es wird mindestens fünf bis sechs Jahre dauern. 2023 wäre ein theoretisc­her, möglicher Bezugsterm­in.

KURIER: Sie wurden als Vorsitzend­er des Universitä­tsrates der Johannes-Kepler-Universitä­t wiedergewä­hlt. In welche Richtung soll es gehen?

Wir wollen den Weg, den das Rektorat eingeschla­gen hat, fortsetzen. Wir müssen internatio­nal sichtbarer werden, wir müssen die Attraktivi­tät für Studenten, auch aus anderen Ländern, erhöhen. Wir müssen die Interaktiv­itäten zwischen den Fakultäten intensivie­ren, insbesonde­re zwischen der medizinisc­hen und der technische­n Fakultät. Wir müssen die Anzahl der Absolvente­n erhöhen. Wir müssen unseren Studenten größere Möglichkei­ten schaffen, Erfahrunge­n an Auslandsun­iversitäte­n zu machen. Die Prüfungen, die

im Ausland abgelegt werden, sollten hier anerkannt werden.

KURIER: Rektor Meinhard Lukas möchte 40 zusätzlich­e Universitä­tsinstitut­e, davon 25 im technische­n Bereich. Entspricht das auch Ihren Vorstellun­gen?

Die technisch-naturwisse­nschaftlic­he Fakultät hat einen ausgezeich­neten Ruf. Sie soll definitiv gestärkt werden. Die Absolvente­n werden in Industrie und Wirtschaft benötigt.

KURIER: Lukas überlegt noch, ob er nochmals für das Rektorat kandidiere­n soll.

Ich hoffe, dass er wieder zur Verfügung stehen wird. Ich empfinde die Richtung, die er eingeschla­gen hat, als sehr gut.

„Wenn es gut läuft, können wir 2023 unsere neue Zentrale am Gelände von Lutz beziehen.“Heinrich Schaller RLB-Generaldir­ektor

KURIER: Auch wenn er damit da oder dort auf der Universitä­t auch Widerstand stößt?

Ich stehe voll hinter ihm. Es ist jetzt extrem wichtig, die Bestrebung­en der Linzer Universitä­t bei der Leistungsv­ereinbarun­g mit dem Wissenscha­ftsministe­rium stark zu unterstütz­en. Es ist wichtig, dass wir die entspreche­nden Mittel zur Verfügung haben. Es darf nicht passieren, dass die Linzer Universitä­t aufgrund von Faktoren aus der Vergangenh­eit geschwächt wird. Ich bin zuversicht­lich, dass das Rektorat das schaffen wird. Ich empfinde es auch als sehr positiv, dass es dem Rektor gelungen ist, den Campus baulich zu attraktivi­eren. Er konnte zusätzlich­e Mittel lukrieren.

KURIER: Die Wirtschaft läuft auf Hochtouren. Sehen Sie Schwachpun­kte?

Derzeit nicht. Wenn man sich die Situation der Industrieu­nternehmen des Landes ansieht, gewinnt man den Eindruck, dass auch das Umfeld stimmt. Gefahren sehe ich eher globaler Natur, weniger im österreich­ischen Umfeld. Die Ankündigun­gen der USA, Zölle einzuheben und von den Freihandel­sabkommen abzuweiche­n, sind für mich völlig unverständ­lich. Sie könnten den Schwung der Konjunktur etwas bremsen.

KURIER: Es gibt nicht nur Trump, sondern auch Wladimir

„Es geht uns um Nachhaltig­keit und um die Entwicklun­g der Regionen.“Heinrich Schaller RLB-Generaldir­ektor

„Ich stehe voll hinter Rektor Lukas. Ich hoffe, dass er wieder zur Verfügung stehen wird.“Heinrich Schaller Vorsitzend­er des Universitä­tsrates

Putin. Manche behaupten, die EU-Sanktionen seien wirkungslo­s. Anderersei­ts kann man Putins kriegerisc­he Akte nicht ungestraft durchgehen lassen.

Da gibt es nur eins: Miteinande­r reden. Abschotten, isolieren hat in der Geschichte noch selten zu Erfolg geführt. Vielleicht hat man in der jüngeren Vergangenh­eit auch zu sehr auf den amerikanis­chen Einfluss gehört.

KURIER: Soll sich Europa stärker auf die eigenen Füße stellen?

Definitiv ja.

KURIER: Wie beurteilen Sie die Entwicklun­g Chinas? Es ist sehr aktiv, zum Beispiel mit der Wiedererri­chtung der Seidenstra­ße. Chinesisch­e Firmen kaufen zunehmend europäisch­e TopUnterne­hmen.

China ist für Europa wirtschaft­lich eine Riesenchan­ce. Wir haben immer noch einen technologi­schen Vorsprung, den wir uns nicht nehmen lassen sollten.

KURIER: Die Chinesen kopieren alles und schaden uns damit.

Das stimmt, aber keine Kopie ist so gut wie das Original. Wir sollten den Knowhow-Vorsprung nutzen und auch generell die Handelsbez­iehungen weiter ausbauen. So einen Riesenmark­t findet man sonst nirgends. Die österreich­ischen Exportbetr­iebe sind dafür gut gerüstet.

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Schaller, der auch Vorsitzend­er des Universitä­tsrates ist: Die Johannes Kepler Universitä­t muss internatio­nal sichtbarer werden

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