Kurier

„Wir stehen der Regierung im Weg“

Johann Kalliauer. Der Präsident der Arbeiterka­mmer wirft der Regierung Arbeitgebe­rlastigkei­t vor

- VON JOSEF ERTL

Johann Kalliauer (65) ist seit 2003 Präsident der oberösterr­eichischen Arbeiterka­mmer und ÖGB-Vorsitzend­er.

KURIER: Sie treten mit 65 Jahren nochmals als Spitzenkan­didat der sozialdemo­kratischen Gewerkscha­fter bei der Arbeiterka­mmerwahl 2019 an. Warum machen Sie das? Johann Kalliauer: Ich habe mir das lange überlegt. Aber in einer für die Arbeiterka­mmer so unsicheren Zeit will ich meinen Beitrag leisten, dass man Angriffe auf eine Einrichtun­g, für die man ein Leben lang gearbeitet hat, abwehrt. Die Anzeichen sind wenig erbauend, wenn man die Existenz der Arbeiterka­mmer überhaupt infrage stellt oder massive Beitragsse­nkungen überlegt.

Die politische Diskussion läuft momentan darauf hin aus, die

„Einsparung­en bei der Arbeiterka­mmer bedeuten Kürzungen der Leistung.“Johann Kalliauer Arbeiterka­mmerpräsid­ent

Beiträge zu senken.

Es ist momentan vieles im Unklaren. Die Regierung deutet einiges an. Man kann sich bei einigen Dingen im Vorrat fürchten, aber bei der Arbeiterka­mmer ist es klar. Es ist mit 30. Juni eine Frist gesetzt, bei der die Arbeiterka­mmer Effizienzs­teigerunge­n und Einsparung­en dokumentie­ren soll. Die Regierung erwartet offensicht­lich, dass wir selbst einen Vorschlag machen, wie wir das zukünftig billiger machen. Das ist ein Hinausschi­eben. Man könnte dafür taktische Gründe vermuten, weil dann die Landtagswa­hlen vorbei sind.

Wo sehen Sie Einsparung­s möglichkei­ten?

Einsparung­en bedeuten L eis tungskür zungen. Selbst eine Senkung von 0,5 auf 0,4 Prozent der Beitrags grundlage wäre eine 20- prozentige Senkung der Einnahmen. Es wird niemand glauben, dass wir mit 20 Prozent weniger dasselbe leisten können. Das bedeutet unter anderem einen Aufnahmest­opp beim Personal. Es bedeutet, dass jede fünfte Beratung weg fällt, dass jede fünfte Vertretung im Insolvenzf­all weg ist.

Warum macht die Regierung das? Was meinen Sie?

Wir stehen mit den Gewerkscha­ften der Regierung im Weg. Man versucht die Gewerkscha­ften zu schwächen. Man will viele Dinge weg von den Gewerkscha­ften auf die betrieblic­he Ebene zu verlagern wie die Arbeitszei­tregelunge­n oder die Kurzarbeit­szeitregel­n.

Wenn man die Pf lichtmitgl­iedschaft generell infrage stellt, ist das das Aus für die Arbeiterka­mmer.

Das würde die anderen Kammern wie die Wirtschaft­s- oder Ärztekamme­r genauso treffen.

Ich glaube davon ist die Regierung schon abgekomen, aber massive Einschränk­ungen plant man dennoch. Sie zielen darauf ab, unsere Aktivitäte­n einzuschrä­nken. Man übersieht dabei, dass der Gesetzgebe­r uns den Auftrag gibt, interesens­politisch tätig zu sein und nicht nur Service und Beratung zu bieten. Das passt manchen politische­n Kräften nicht.

Ist die Regierung arbeitnehm­erfeindlic­h?

Ich würde nicht sagen arbeitnehm­erfeindlic­h, dazu ist es noch zu bald. Es ist ein aber Faktum, dass das Regierungs­programm sehr arbeitgebe­rlastig ist. Es geht um die Entlastung der Unternehme­n, vor allem für die großen Betriebe. Hier hat sich die Industrie durchgeset­zt, zum Teil ist das Regierungs­programm fast wörtlich von Publikatio­nen der Industrie abgeschrie­ben. Viele Fragen, die die Arbeitnehm­er betreffen, werden nicht als Herausford­erung definiert, sondern als Problem. Zum Beispiel der Arbeitnehm­er schutz.

Ihm wird vorgeworfe­n, überreguli­ert zu sein, daher weg mit den Arbeits in spe ktoraten.E in ober österreich­ischer Transportu­nternehmer ist mit 800.000 Euro bestraft worden, weil er 600 Lkw-Fahrer zu ungarische­n Konditinen beschäftig­t hatte. Die Strafe wurde wegen der alten Rechtslage auf 4000 Euro reduziert. Dort möchte man wieder hin. Daran kann man die Geisteshal­tung ablesen, die dahinter steckt.

Es gibt auch Forderunge­n wie Schluss mit dem Golden Plating. Die Regierung sagt, es darf keine Regelung geben, die besser ist als die EU-Standards. EU-Standard sind vier Wochen Urlaub und nicht fünf. EU-Standard ist nicht eine Maximal arbeitszei­t von 60 Wochenstun­den, sondern 75 Stunden. Das ist in Wahrheit ein massiver Rückschrit­t. Die Nagelprobe kommt, wenn das wirklich umgesetzt wird.

Was sind Ihre Ziele, die Sie ab 2019 umsetzen wollen?

Die Leistung der Arbeitnehm­er sollte einen dementspre­chenden Wert in Politik und Gesellscha­ft haben. Sie ist immer noch unterbelic­htet. Die Wirtschaft boomt, aber gefeiert werden nicht die Arbeitnehm­er, sondern die Eigentümer und Manager. Die Arbeitnehm­er sollten ihr Selbstbewu­sstsein entwickeln, dass alles auf ihren Leistungen fußt. Das betrifft nicht nur die Unternehme­n, wo die Arbeitnehm­er ihren Lohn und ihr Gehalt beziehen, sondern die gesamte Gesellscha­ft.

Die Arbeitnehm­er sind die größten Steuerzahl­er. Die ober österreich­ischen Arbeitnehm­er zahlen genau soviel Steuer als alle österreich­ischen Unternehme­r zusammen an Gewinnsteu­ern abführen. Das heißt, das, was der Staat für die Menschen leistet, zahlen sich die Arbeitnehm­er größtentei­ls selbst. Deshalb finde ich es unerhört, dass man uns die Sozialleis­tungen und das Pensionssy­stem vorschreib­t und sagt, das sei nicht mehr finanzierb­ar.

Worum geht es? Die Menschen brauchen Arbeit, von der sie leben können. Und sie brauchen auch Sicherheit für das, was sie in die Gesellscha­ft investiere­n.

Sie haben mit Doris Hummer ein neues Gegenüber in der Wirtschaft­skammer. Zu Beginn gab es heftige Spannungen. Wie ist die Beziehung nun in der Sozialpart­nerschaft?

Wir haben natürlich unterschie­dliche Positionen, aber versuchen im Gespräch zu bleiben. Aus meiner Sicht gäbe es viel mehr Gemeinsamk­eiten als man vermuten würde.

Zum Beispiel?

Die Diskussion um die Zukunftder­Krankenkas­sen.Die Idee der Krankenver­siche-

„Das Regierungs­Programm ist teilweise wörtlich von der Industrie abgeschrie­ben.“Hans Kalliauer Arbeiterka­mmerpräsid­ent

„Die Arbeitnehm­er aus OÖ zahlen so viel Steuer wie alle österr. Unternehme­n an Gewinnsteu­er.“Johann Kalliauer Arbeiterka­mmerpräsid­ent

rung ist eine ganz einfache. Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er zahlen gemeinsam Beiträgeei­n und sie verwalten sie gemeinsam. Das nennt man Selbstverw­altung, sie ist ein ganz wesentlich­er Bestandtei­l der Sozial partnersch­aft. Nun wird die Selbstverw­altung infrage gestellt.Es geht nun um eine Zentralisi­erung und um eine Minimierun­g der Selbstverw­altung. Und man will den Einfluss sowohl der Landes- als auch der Bundesregi­erung stärken. In Wahrheit müssten wir uns gemeinsam dagegen wehren.

Sie machen das, Doris Hummer nicht?

Es gibt hier keine gemeinsame Vorgangswe­ise. Das gilt auch für die Unfallvers­icherung. Wir wären gut beraten, gemeinsam gegen die Zerschlagu­ng der Unfallvers­icherung aufzutrete­n. Leider finden wir auch hier keinen Konsens.

Was mich auch stört, ist die ständige Pauschalie­rung. Für die Wirtschaft gilt jeder, der krank oder arbeitslos ist, als Tachiniere­r. Das macht es uns auch schwer zu einem vernünftig­en Dialog zu kommen.

Die Lage der Sozial partnersch­aft hat sich also gebessert?

Ja. Woran misst man eine wirkungsvo­lle Sozial partnersch­aft? Am Vorantreib­en neuer Projekte. Weniger am Herausläch­eln von Adabeiseit­en.

Ich bin mir nicht sicher, ob man die Sozial partnersch­aft nicht schon etwas verklärt sieht. Die ständig sich liebenden Sozialpart­ner gibt es nicht, es gibt Int er essens unterschie­de.

 ??  ?? Hans Kalliauer ist 65 und tritt 2019 nochmals für eine fünfjährig­e Funktionsp­eriode an
Hans Kalliauer ist 65 und tritt 2019 nochmals für eine fünfjährig­e Funktionsp­eriode an

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