Vom richtigen Tonfall
Daria stellt sich taub. Warum bei uns die Tochter derzeit der strengere Elternteil ist.
Der Beagle ist charakterlich nicht so beschaffen, dass er bei jedem Kommando zeitnah, dienstbeflissen salutiert. Daria ist ein Beagle. Daher wertet sie es als Entgegenkommen ihrerseits, wenn sie bei einem „Komm!“meinerseits eine Augenbraue hebt und ihre Schlafposition im Körbchen leicht verändert. Das heißt: „Ich höre dich. Ich denke darüber nach, wann es für mich passt und komme dann auf dich zu.“
Dies führt zu einem ungeduldigen „Daaa-ria-Ko-omm!“Ich stehe ja fertig angezogen – Leine in der Hand – im Vorzimmer. Daraufhin stellt sich Daria entweder taub oder rollt die Augen, die sie zu diesem Zweck kurz öffnet. Oder sie gähnt mich an. Das heißt: „Ist im Moment eher ungünstig bei mir, aber frag doch in einer Stunde noch einmal, eventuell passt es ja dann.“
Ich habe an dieser Stelle zwei Optionen: Entweder mit Wanderschuhen ins Wohnzimmer zu gehen, um Daria persönlich abzuholen. Das zieht beim derzeitigen Gatschwetter aufwendige Reinigungsarbeiten nach sich. Oder die Schuhe auszuziehen, bevor ich Daria persönlich abhole. Das kostet mich vier Minuten des Schuhe-Schnürens.
Neulich kommt die Tochter vorbei, als ich in so einer Situation ratlos auf meine Schuhe blicke. Sie macht eine Stimme, so tief wie Mozarts Sarastro: „Daria, komm!“Daria springt auf, streckt sich, kommt.
Darauf die Tochter zu mir im ErklärTonfall: „Siehst du, so geht das. Mit deiner Säuselstimme wird das nichts. Du musst den richtigen Ton treffen.“Die Tochter trifft mir gegenüber nicht immer den richtigen Ton. Bei Daria gelingt es ihr offensichtlich gut.
Man muss dazu anmerken, dass die Tochter demnächst im Schulfach „Singen, aber richtig“maturiert und daher ständig Klang und Wirkung ihrer Stimme testet. Neulich rief sie an, als ich unterwegs war, und fragte: „Ich will mit meiner Stimme ein Glas zum Springen bringen. Wo soll ich das machen?“Ich lachte sehr laut, sie erwiderte, das sei kein Scherz. Also rief ich ins Handy: „So weit weg von Daria wie möglich!“
Als ich heimkam, lag in einer Schale die zersplitterte Glasscheibe eines Bilderrahmens. Ob das Bild von der Wand gefallen ist oder die Scheibe vorsätzlich zersungen wurde, fragte ich nicht. Ich rief Daria zur Abendrunde. Sie kam nicht. Die Tochter übernahm das Kommando: „Daria, komm!“Und dann, an mich gerichtet: „Wieso muss hier eigentlich immer ich der strenge Elternteil sein?“Ich lerne jetzt auch singen.