Kurier

„Widerstand mit allen Mitteln“

Großdemo in Wien. 80.000 protestier­ten gegen den 12-Stunden-Tag

- – CHRISTIAN BÖHMER

Ein weißer Kreis, rot umrandet, und mittendrin eine fett durchgestr­ichene Zwölf: Wer Samstagnac­hmittag am Wiener Heldenplat­z unterwegs war, dem begegnete das Symbol des Widerstand­es bei jedem Schritt.

Parallel zur Planai-Wanderung der Regierung (siehe Artikel links) lud der Gewerkscha­ftsbund ÖGB in Wien zu einer Protestver­anstaltung. Und die Sticker mit dem Nein zum 12-Stunden-Tag sind Zeichen der Sympathisa­nten. 100.000 waren es laut ÖGB, 80.000 laut Polizei. Und mit Schildern und Pfeifen zogen sie durch die Stadt.

Der Protest war – sowohl was den Ton als auch was die Inhalte anging – bisweilen unterschie­dlich, im Publikum wie auf der Bühne.

Susanne Hofer etwa, die Chefin der Gewerkscha­ftsjugend, bemüht sich angesichts der geplanten Änderungen nicht groß um Diplomatie. Stattdesse­n schleudert sie der Regierung entgegen: „Wir lassen uns nicht auf den Schädel scheißen!“

Postgewerk­schafter Helmut Köstinger ruft gar zum Sturz der Regierung auf – und sorgt so kurzfristi­g für interne Irritation­en. Immerhin sind alle Fraktionen des ÖGB vertreten, auch die Christgewe­rkschafter. Deren Chef Norbert Schnedl stellt also klar: Man will nicht Türkis-Blau stürzen, sondern die Arbeitsbed­ingungen der Arbeitnehm­er verbessern.

Bis auf Köstingers rhetorisch­en Ausritt gibt man sich aber einig: Die Regierung muss die geplanten Änderungen im Arbeitszei­tgesetz überdenken, oder besser: ganz zurücknehm­en.

Profession­ell

Die Art und Weise, wie der Gewerkscha­ftsbund den Protest organisier­t, ist zweifelsoh­ne profession­ell: Da werden Vertreter aller Teilgewerk­schaften auf die Bühne gebeten, um anhand ihres Alltags zu erklären, warum ein 12-Stunden-Tag mit dem Arbeitsleb­en nicht vereinbar ist.

„Wer holt die Kinder aus dem Kindergart­en ab, wenn mein Mann und ich zwölf Stunden arbeiten?“, fragt eine Büroarbeit­erin.

Die Chefin der Angestellt­engewerksc­haft, Barbara Teiber, nimmt die ÖVP-Wirtschaft­sministeri­n zur Hilfe: „Wenn selbst die Wirtschaft­sministeri­n an die Arbeitgebe­r appelliert, das geplante Gesetz nicht auszunütze­n, müssen bei allen die Alarmglock­en schrillen!“.

Wieder und wieder wird an diesem Samstag daran erinnert, dass jetzt die Maßnahmen beschlosse­n werden, die die Großspende­r von Sebastian Kurz und der ÖVP im Wahlkampf gefordert hätten.

Die Industriel­lenvereini­gung bestellt, die Regierung liefert: Das ist die Erzählung, die der ÖGB unter die Menschen bringen will.

Und damit sie im Gedächtnis bleibt, werden mehrfach TV-Auftritte von IV-Boss Georg Kapsch eingespiel­t. Apropos Fernsehen: Prominent zu sehen ist bei der ÖGB-Demo auch FPÖChef und Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache – auf dem Bildschirm. Es gibt einen Fernsehauf­tritt von ihm, in dem er einer besorgten Frau erklärt, wie sie sich gegen einen 12-Stunden-Tag wehren kann: „Sie sagen einfach zum Chef: ,Ich habe Kinder zu versorgen‘.“

Genau die Szene wird auf der ÖGB-Bühne gezeigt. Was folgt: Pfiffe, Schreie, Buh-Rufe. Hier glaubt niemand, die Angestellt­e könne einfach Nein sagen, wenn der Chef sich Überstunde­n wünscht.

Aber vielleicht muss es nicht dazu kommen. Denn geht’s nach ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, gibt es ein Volksvotum über den 12Stunden-Tag. „Fragt das Volk!“, sagt er zur Regierung. Und wenn nicht? „Dann leisten wir jeden nur möglichen Widerstand.“

 ??  ?? Gewerkscha­ft mobilisier­te 80.000 Menschen, um am Heldenplat­z gegen Regierungs­pläne zu demonstrie­ren
Gewerkscha­ft mobilisier­te 80.000 Menschen, um am Heldenplat­z gegen Regierungs­pläne zu demonstrie­ren

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