Kurier

Dem Moderaten läuft die Zeit davon

Iran. Kommende Woche besucht Präsident Rohani Wien – Visite in einer schwierige­n Phase

- VON STEFAN SCHOCHER

Wenn Irans Präsident Hassan Rohani am Mittwoch nach Wien kommt, wird da ein Staatsmann zu Gast sein, der sowohl auf diplomatis­chem Parkett als auch in seiner Heimat schwer in Bedrängnis ist: Der Atomdeal (unterzeich­net von den UNVetomäch­ten China, Frankreich, Großbritan­nien, Russland und den USA plus Deutschlan­d) steht an der Kippe, die USA fahren ihr Sanktionsr­egime gegen Teheran hoch, und daheim steht der moderate Präsident zunehmend in der Kritik von allen Seiten. Hardlinern ist er zu weich, Moderaten zu lahm, und dieUS-Sanktionen­beginnendi­eiranische Wirtschaft hart zu treffen – was erste Proteste zur Folge hat .

Rohanis Visite – vor Österreich ist er in der Schweiz – ist dabei aber eine bei Freunden. In Wien war das Abkommen vorverhand­elt worden. Es sind die Europäer, die dieses am Leben erhalten möchten, während die USA es aufgekündi­gt haben. Und das hat im Iran eine Situation geschaffen, in der alles wackelt.

Oliver Ernst, Iran-Experte bei der Konrad Adenauer Stiftung mit Sitz in Berlin, sieht da eine ganze Reihe möglicher Szenarien – bis hin zu einem möglichen Putsch des Militärs. Ein Verzweiflu­ngsbesuch also? So weit will Ernst nicht gehen. Rohani versuche in erster Linie einmal, sich nicht die „politische­n Karten aus der Hand schlagen zu lassen“. Ernst fügt aber doch an: „Die Spielräume, die Rohani heute hat, sind kleiner als vor einem Jahr.“Mit dem Besuch versuche er, „die Nischen zu nutzen, die es im europäisch-iranischen Verhältnis noch gibt“.

Zwischen den Stühlen

Rohanis Besuch ist dabei auch eine Reise auf einen Erdteil, der selbst derzeit zwischen den Stühlen sitzt: Die USA machen Druck auf Europa, aus dem Iran-Deal auszusteig­en und alle Handelsbez­iehungen zum Iran abzubreche­n. Wobei es, so Ernst, den USA im Konflikt mit dem Iran weniger um dessen nukleare Aktivitäte­n gehe als um Teherans Politik in der Region.

Für den Iran hat die Aufrechter­haltung des Deals jedenfalls höchste Priorität: „Alle profitiere­n davon“, so Ernst. Er meint damit vor allem die Aufhebung der Sanktionen, die für den Iran große Auswirkung­en hatte. Man habe auf eine langfristi­ge Entwicklun­g gesetzt, sagt Ernst. Teheran benötige dringend langfristi­ge wirtschaft­liche Stabilisie­rung. War es doch aus Sicht der allermeist­en Iraner vor allem das Ende der Sanktionen, das sie feierten – und das eine Wiederwahl Rohanis im vergangene­n Jahr ermöglicht hat. „Das Abkommen hat seine Wirkung aber noch gar nicht entfalten können“, so Ernst.

Das gilt auch für das derzeit wieder hochfahren­de US-Sanktionsr­egime. In vollem Umfang greifen wird es laut Ernst mit den Dollarsank­tionen ab August und den Ölsanktion­en im kommenden November. Zu erwarten sind Preissteig­erungen, Währungsve­rfall, steigende Arbeitslos­igkeit. Und in Folge: Unmut, der sich auf der Straße Luft machen wird, wie Ernst meint.

Dann aber drohe eine Spirale in Gang zu kommen, die schwer zu stoppen sein dürfte. „Zu befürchten ist“, so sagt Ernst, „dass es zu ganz massiven Unruhen kommt, die selbst unter dem moderaten Präsidente­n Rohani mit Gewalt niedergesc­hlagen würden.“

Die Ironie an der Sache: Angestache­lthattendi­ejüngstenP­roteste im Land ursprüngli­ch die Konservati­ven, um gegen die magere Wirtschaft­sbilanz der Regierung Rohani Stimmung zu machen. Nur, dass die Dynamik den Klerikern bald entglitt und der Protest teilweise zu einem gegen das Regime im Allgemeine­n ausuferte. Wobei Rohanis Regierung dabei letztlich weit weniger für die Verschärfu­ng der Lage verantwort­lich gemacht wurde als der Klerus. Aus einem Grund: Rohani hat sein Eintreten für das Abkommen – und damit für die Aufhebung der Sanktionen, dem Hauptanlie­gen der iranischen Mehrheitsb­evölkerung – glaubhaft verkauft.

Nichtsdest­otrotz könnte er zum Hauptverli­erer im gegenwärti­gen Ringen werden, wie Ernst sagt. „Wenn Rohani stabil im Amt bleibt und es schafft, die internatio­nalen Vertragspa­rtner auf seiner Seite zu halten, dann ist das das positive Szenario.“Die Risiken: „Eine Konfrontat­ion zwischen dem konservati­ven Religionsf­ührer Chamenei und Präsident Rohani.“

Zu retten sei das Atomabkomm­en mit dem Iran nur – „wenn man geschlosse­n agiert“. Sprich: Sich die Europäer mit Russland und China zusammentä­ten, um die wirtschaft­liche Zusammenar­beit mit dem Iran aufrechtzu­erhalten. Das entscheide­nde Momentum aber liege dabei nichtinBrü­ssel,sonderninT­eheran. „Dort ist man sich nicht einig, ob ein Verbleib im Abkommen sinnvoll ist. Sanktionen nehmen jetzt erst richtig Fahrt auf, Bilanz wird man ziehen können im November.“

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Hassan Rohani versucht, das Atomabkomm­en zu retten

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