Kurier

Eltern, lasst los! Politik, gib Gas!

- AXEL N. HALBHUBER

Das Dilemma ist offensicht­lich: Arbeitende Menschen haben fünf Wochen Urlaub pro Jahr. Schulkinde­r neun Wochen Sommerferi­en. Dummerweis­e sind die einen die Eltern der anderen.

Man kann sich diesem Dilemma von mehreren Seiten nähern, eine davon ist die pädagogisc­he: Wir haben unseren Kindern die Selbststän­digkeit abgewöhnt und jetzt zahlen wir den Preis. Einst gingen Fünfjährig­e alleine vom Kindergart­en nach Hause (auf alten Formularen ist noch ein „Selbstgehe­r“-Kasterl zum Ankreuzen) – waaaas?

Erstklassl­er verbrachte­n Ferienwoch­en bei Oma, bei SuperPalat­schinken, aber ohne Dauerausf lugsprogra­mm – wiiiiiie?

Zehnjährig­e beschäftig­ten sich still ein paar Stunden im Eck des mütterlich­en Frisiersal­ons wurde ihnen fad, fuhren sie alleine mit der Bim heim – pfoooooa.

Die zweite Seite ist die abhanden gekommene Geselligke­it, früher hatten Eltern Elternfreu­nde, heute haben sie Bekannte. Bekannte nehmen das eigene Kind leider nicht als Wochengast zu Hause auf oder auf Urlaub mit. Ähnliches gilt für Ferienlage­r, Sammelgrup­pen oder Sportkurse: „Papa, ich kenn’ dort niemanden.“„Mama, dort sind alle blöd.“Man kann im Sommer nicht ernten, was man übers Jahr nicht sät.

Schlussend­lich dreht sich das Dilemma aber um eine Frage: Muss eine Gesellscha­ft, die sich zum Kapitalism­us bekennt, nicht dafür sorgen, dass er blühen kann? Sollte man nicht den vielen willigen Arbeitnehm­ern Möglichkei­ten geben, ihre Kinder im Sommer zu parken? Die wollen gar nicht so viel urlauben, die wollen arbeiten, sogar zwölf Stunden am Tag, das kann man ihnen doch nicht dadurch verunmögli­chen, dass sie die Ferienaufs­icht für ihre Kinder geben müssen. Die meisten Kindergärt­en, vor allem öffentlich­e, verstehen das und haben (fast) Ganzjahres­betrieb. Überrasche­nderweise können aber auch ÜberSechsj­ährige den Ferienallt­ag nicht autonom organisier­en.

„Mehr Leistung“rufen, aber zu wenig Kinderbetr­euung anbieten, das ist das wahre Dilemma. Vielleicht gehen kapitalist­isch und konservati­v gar nicht so gut zusammen.

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