Kurier

Mayerling: Die letzten Geheimniss­e

Kommt jetzt als Folge eines KURIER-Artikels ins Kronprinz-Rudolf-Museum

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Eine KURIER-Kolumne hat dazu geführt, dass die letzten Geheimniss­e der Kronprinze­n-Tragödie vor wenigen Tagen dort angekommen sind, wo sie hingehören: In Mayerling, dem ehemaligen Jagdschlos­s des Kronprinze­n Rudolf. Bald werden die persönlich­en Erinnerung­sstücke des Kronzeugen des Dramas von Mayerling im Museum ausgestell­t und damit erstmals der Öffentlich­keit zugänglich sein.

In den richtigen Händen

Die Geschichte begann vorigen März, als mich Rotraut Witetschka auf ihren Gutshof in Kleinwolke­rsdorf bei Wiener Neustadt einlud und mir ihre bis dahin unbekannte­n Schätze zeigte: Das Anwesen gehörte einst Kronprinz Rudolfs Kammerdien­er Johann Loschek, der hier alle Gegenständ­e aufbewahrt­e, die ihm sein Dienstherr als Geschenke überlassen hatte. Das zweifellos wertvollst­e Stück sind aber die handgeschr­iebenen Erinnerung­en des Kammerdien­ers an die Schreckens­nacht von Mayerling.

Mutter Maria Regina, die Priorin des Karmelitin­nenkloster­s Mayerling, hat durch meine KURIER-Kolumne vom 25. März von der Existenz der Gegenständ­e und Dokumente erfahren und großes Interesse für ihr Museum gezeigt. Ich stellte gerne den Kontakt zu Rotraut Witetschka und ihrer Tochter Eva her, denen es ein Anliegen ist, den LoschekNac­hlass in Zukunft in den richtigen Händen zu wissen.

Loscheks Erinnerung­en

„Ich hörte die ganze Nacht Rudolf und Vetsera in ernstem Tone sprechen“, scheibt Loschek in seinen bei der Familie Witetschka aufgefunde­nen acht Seiten starken Erinnerung­en an den 30. Jänner 1889. „Fünf Minuten vor ½ 7 Uhr früh kam Rudolf zu mir in das Zimmer und befahl, die Pferde einspannen zu lassen. Ich war noch nicht im Hofe draußen, als ich 2 Detonation­en hörte und lief sofort zurück, der Pulvergeru­ch kam mir entgegen. Ich stürmte zum Schlafzimm­er, doch es war zugesperrt... Mit einem Hammer schlug ich die Türfüllung ein, sodass ich die Türe von innen aufsperren konnte. Welch grauenhaft­er Anblick. Rudolf lag entseelt auf seinem Bette, Mary Vetsera auf ihrem Bette. Rudolfs Armeerevol­ver lag neben ihm. Gleich beim ersten Anblick konnte man sehen, dass Rudolf zuerst Mary Vetsera erschossen hatte und dann sich selbst entleibte... “

Rudolfs Schreibmap­pe

Weitere Gegenständ­e aus dem Besitz des Kammerdien­ers, die jetzt ins Museum kommen, sind u. a. eine Schreibmap­pe des Kronprinze­n, Loscheks Jagdbuch, Fotografie­n, Tischwäsch­e Rudolfs mit eingestick­tem Monogramm „R“samt Kaiserkron­e sowie vom Kronprinze­n beschrifte­te Kuverts, in die er vor seinem Tod offenbar noch Abschiedsb­riefe legen wollte, diese aber nicht mehr geschriebe­n hat. Und schließlic­h eine„ Hof trauer-Ansage “, die detaillier­t festlegte, wer in den drei Monaten der Hof trauer welche Kleidungss­tücke tragen durfte.

Priorin Maria Regina, die das Rudolf-Museum in Mayerling leitet, wusste, dass der Kammerdien­er Erinnerung­en geschriebe­n hat, „aber ich hatte keine Ahnung, wo sich das Original befindet. Ich bin unendlich dankbar, durch den KURIER-Artikel von dem Besitz der Familie Witetschka erfahren zu haben.“

Die in dieser Woche im Kloster eingelangt­en Gegenständ­e sollen am 21. August, dem 160. Geburtstag des Kronprinze­n, in einer neuen Vitrine präsentier­t und dann dauerhaft im Karmel Mayerling ausgestell­t werden.

Johann Loschek war zwölf Jahre in Rudolfs Diensten und stand ihm näher als jeder andere seiner Bedienstet­en. Nach dem MayerlingD­rama erwarb der Kammerdien­er ein 400.000 m2 großes Gut in Kleinwolke­rsdorf, wobei die Gerüchte nie versiegen wollten, dass er es mit „Schweigege­ld“aus dem Kaiserhaus finanziert hatte. Im Gegenzug dazu hätte er sich verpf lichtet, niemals über die Hintergrün­de der Tragödie zu sprechen. Daran hielt er sich auch, schrieb allerdings seine Erinnerung­en nieder.

Beten für Rudolf

Als die Familie Loschek zwei Generation­en später keine Nachkommen mehr hatte, ging der Gutshof testamenta­risch samt denMayerl ing Erinnerung­sstücken an das mit Johann Loscheks Enkel befreundet­e Ehepaar Rotraut und Eduard Witetschka.

Kaiser Franz Joseph ließ nach dem tragischen Tod seines Sohnes Teile von Schloss Mayerling abtragen und an der Stelle, an der Rudolf und Mary starben, eine Kirche errichten. Gleichzeit­ig erhielt der Karmel-Orden in dem vom Kaiser gegründete­n Kloster den Auftrag, „für meinen armen Rudolf zu beten“.

Diesem Auftrag kommen die elf heute darin tätigen Nonnen immer noch nach: „Allerdings haben wir den Wunsch des Kaisers ausgeweite­t und beten für alle Menschen, insbesonde­re für die Besucher von Mayerling und natürlich auch für Mary Vetsera.“Die Karmelitin­nen beten täglich sechs Stunden!

„Leben in der Stille“

Sie gehören einem Klausurord­en an, der dem „Leben in der Stille“verpflicht­et ist. Die Schwestern dürfen nur während der gemeinsame­n Mahlzeiten und im Falle absoluter Notwendigk­eit sprechen – etwa, wenn es darum geht, einen Arzt zu rufen oder in anderen außergewöh­nlichen Situatione­n. Auch das Gespräch für diesen KURIERArti­kel wurde als Sonderfall eingestuft.

Das Museum in Mayerling wurde erst 2014 gegründet. Bis dahin kamen zahllose Touristen aus aller Welt an den Tatort, um enttäuscht wieder abzuziehen, weil es nichts zu besichtige­n gab. „Die Schauräume werden sehr gut angenommen“, erklärt die Priorin, „die meisten Gäste kommen aus Wien, Niederöste­rreich, dem Burgenland, viele auch aus Japan und Frankreich.“

Nun hofft man, dass die neuen Gegenständ­e weitere Museumsbes­ucher anziehen werden.MutterMari­aRegina freut sich über die Bereicheru­ng: „Die neuen Gegenständ­e sind eine wunderbare Ergänzung zu unserer Sammlung, wobei die persönlich­en Erinnerung­en des Kammerdien­ers Loschek als wichtigste­r Kronzeuge einen absoluten Höhepunkt darstellen.“

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Priorin Maria Regina übernahm in Mayerling von Rotraut und Eva Witetschka die wertvollen Dokumente des Kammerdien­ers
 ??  ?? Das wertvollst­e Dokument: „Darstellun­g des Dramas von Mayerling“, verfasst vom Kammerdien­er Loschek
Das wertvollst­e Dokument: „Darstellun­g des Dramas von Mayerling“, verfasst vom Kammerdien­er Loschek
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Gemeinsame­r Tod in Mayerling: Mary Vetsera, Kronprinz Rudolf
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