Miteinander statt auseinander urlauben
Schweigen, Streiten, Sticheln – Paartherapeuten geben Rezepte gegen den Urlaubsblues
Kein Wort, kein Blick für einander. Das Paar in der griechischen Taverne, beide Mitte 50, schweigt. Seit der Vorspeise. Ein Urlaubsszenario, das vielen bekannt vorkommt – auch der Wiener Psychotherapeutin und Paarberaterin Anna Reinfeld. Der Zufall will es, dass sie gerade mit ihrem Partner auf Kreta weilt, als der KURIER sie um Beziehungstipps für den Pärchen-Urlaub bittet. Das schweigende Paar am Nebentisch stach ihr am Vorabend ins Auge. „Mein Mann und ich haben uns gefragt, wie es den beiden wohl miteinander geht. Es war eine eigenartige Stimmung.“
Diese macht sich bei vielen Paaren im lang ersehnten Urlaub breit. In wenigen Tagen soll aufgeholt werden, was das ganze Jahr zu kurz kam – man soll auf Knopfdruck entspannen, lustig sein und nebenher noch die Beziehung auf Vordermann bringen. Zu hoch sind die Erwartungen, warnen Psychologen jedes Jahr zu Ferienbeginn, einer Studie zufolge gibt es bei zwei Drittel aller Paare Streit trotz Traumkulisse.
Das langjährige TherapeutenEhepaar Sabine und Roland Bösel (www.boesels.at) kennt die Herausforderungen eines PärchenUrlaubs aus eigener Erfahrung. Vor vielen Jahren hatten sie eine „Megakrise“, weil Sabine ihrem Mann eine Affäre gestanden hatte. „Wir haben uns gedacht, wir fahren schnell auf Urlaub, um das Problem zu glätten. So geht’s vielen Paaren: Sie glauben, dass sie im Urlaub alles klären können, was über die Jahre liegen geblieben ist.“Eine US-Studie bestätigte vor einigen Jahren, dass viele Beziehungen im Urlaub gehörig ins Wanken kommen. Die meisten Scheidungen werden im März und August eingereicht, also nach den Sommer- und Winterferien, stellten Soziologen der University of Washington fest. Die Forscher lieferten auch eine Begründung: Die Urlaubszeit ist emotional besonders aufgeladen, was dazu führt, dass Erwartungen enttäuscht und Brüche in der Beziehung sichtbar werden.
Die Vorfreude auf eine Auszeit zu zweit sollte dennoch nicht getrübt werden – schließlich ist jeder Urlaub eine Chance, einander wieder näher zu kommen. Und nicht jedes Schweigen bedeutet das Ende einer Liebe, beruhigt Reinfeld: „Miteinander schweigen und genießen können ist auch eine Qualität. Manchmal ist man einfach zu müde, zu entspannt oder es gibt gerade nichts zu sagen. Und das darf auch sein.“