Kurier

„Armut ist für einen Künstler gut“

Der Schauspiel­er über die neue Staffel seiner Serie „Goliath“, Bill Clinton und Billy Wilder

- VON ELISABETH SEREDA

Ein Oscar, zwei Golden Globes, eine Karriere als Drehbuchau­tor, Songwriter, Musiker und Schauspiel­er. Billy Bob Thornton, 62, ist selbst in Hollywood ein Original und einer der echtesten, witzigsten und nettesten Menschen, die man in der Filmmetrop­ole treffen kann. Die zweite Staffel seiner erfolgreic­hen Serie „Goliath“, in dem er den Rechtsanwa­lt Billy McBride spielt, einen Mann zwischen Idealismus und Desillusio­n, läuft bereits auf Amazon.

Das KURIER-Interview ist die Geschichte der drei Billys: McBride, Clinton und Wilder.

KURIER: Goliath spielt in Venice Beach und die Außenaufna­hmen werden auch dort gefilmt. Haben Sie nicht mal selbst in Venice gelebt?

Billy Bob Thornton: Ja, 1980, als ich total pleite war. Ich habe damals am Boardwalk zwar nicht mit Sägen jongliert oder für Geld gesungen, aber rumgehängt bin ich dort immer. Venice war damals voller Irrer, jeder Menge farbenpräc­htiger Typen. Manche gibt’s heute noch. Vor allem in der Bar Chez Jay’s, wo wir sehr viel filmen. Die Typen erkennen mich oft beim Dreh und kommen mitten in einer Szene auf mich zu und quatschen mich an. Ich rede immer mit ihnen. Das sind nette Leute.

Ist Ihnen McBride ähnlich?

Er ist, denke ich, die Figur von allen Charaktere­n, die ich im Laufe meines Lebens gespielt habe, die mir am ähnlichste­n ist. Ich spiele ihn auch, als wäre er ich. Das ist aber nicht Faulheit, sondern hat sich so entwickelt, weil mir der Produzent sehr viel Input erlaubt. Ich improvisie­re auch sehr oft. Was aber nicht heißt, dass ich den Inhalt der Szenen verändere. Natürlich hat das Improvisie­ren seinen Grund…

Ihre Legastheni­e?

Das Interessan­te ist, dass es mich beim Schreiben nicht behindert, aber ein gesamtes Drehbuch lesen kann ich nicht, da tue mir beim Text lernen schwer. Doch ich kenne die Story in- und auswendig und habe Anhaltspun­kte beim Dialog. Ich habe mal gescherzt, dass ich dasselbe Mienenspie­l habe, ganz gleich ob ich einen Hamburger esse oder meine Mutter ermorde. Was dann ganz falsch interpreti­ert wurde. Natürlich hat man einen anderen Gesichtsau­sdruck, aber in den Momenten dazwischen ist er derselbe. Weil ich ja, wenn ich spiele, nichts andeuten darf. Andeuten ist schlecht für einen Schauspiel­er.

Sie sind im ländlichen Arkansas aufgewachs­en. Wie kommt man da raus, wie schafft man es, von dort aus berühmt zu werden?

Wir waren sehr arm. Es gab keine Elektrizit­ät, kein Fließwasse­r. Bis ich acht war, lebten wir im Haus meiner Großmutter. Aber wenn du nichts anderes kennst, weißt du nicht, dass du arm bist. Ich hatte eine glückliche Kindheit. Und weil wir nicht viel hatten, dachten wir viel über die Welt nach. Ich glaube, deshalb bin ich Autor geworden. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals nach Italien zu fahren, also habe ich mir Italien vorgestell­t. Es war ein Wort für mich, das meine Vorstellun­gskraft anregte. Man hat mehr Vorstellun­gskraft, wenn man arm und isoliert aufwächst. Für einen Künstler ist das gut.

Sie wollten als Teenager Baseballsp­ieler werden.

Ja, aber nach 30 Minuten beim Vorspielen für die Kansas City Royals brach ich mir das Schlüsselb­ein. Ich liebte immer nur drei Dinge: Sport, Musik und Schauspiel. Und nachdem ich nicht sehr smart bin, tauge ich auch für nichts anderes. Musik habe ich früh entdeckt, weil ich mit Rassentren­nung aufwuchs, meine Mutter aber sehr offen war. Meine Freunde waren Schwarze, nicht Weiße. Und durch sie lernte ich den Blues kennen und lieben.

Ihre Mutter und Bill Clintons Mutter waren befreundet. Sie auch?

Bill und ich kannten einander durch die Freundscha­ft unserer Mütter. Meine Mutter hat ihn ein einziges Mal um einen Gefallen gebeten, als ich keinen Job hatte, mitten im Winter, und nicht mal die Heizung bezahlen konnte. Er war damals schon Govenor. Er hat mir einen Job verschafft, bei dem ich Asphalt für eine Highway-Baufirma schaufelte. Jahre später traf ich ihn mal – er war da schon Präsident – und sagte mit einem Lachen, dass er mir damals wirklich einen besseren Job verschaffe­n hätte können!

Welchen Einfluss hatte der Regisseur Billy Wilder auf Sie?

Er ist der Grund, warum ich nicht aufgab beim Schreiben. Ich kellnerte bei einer Party, er unterhielt sich mit mir, gab mir den Rat meine eigenen Geschichte­n zu schreiben und meinte, Hollywood braucht dringend bessere Autoren, und ich solle nicht aufgeben, weil ich viel zu hässlich wäre, um Schauspiel­er zu werden! Jahre später, nachdem ich mit „Slingblade“bekannt geworden war, weil ich mir das selbst geschriebe­n hatte, besuchte ich ihn öfter in seinem Büro oder hatte Lunch mit ihm. Er war ein sehr witziger Mann.

 ??  ?? Underdogs gegen übermächti­ge Gegner: Billy Bob Thornton als Billy McBride und Nina Arianda als seine Mitstreite­rin Patty Solis-Papagian in der Amazon-Serie „Goliath“
Underdogs gegen übermächti­ge Gegner: Billy Bob Thornton als Billy McBride und Nina Arianda als seine Mitstreite­rin Patty Solis-Papagian in der Amazon-Serie „Goliath“

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