Kurier

Bayreuth: Roberto Alagna sagt ab

Interview. Linkin Parks Mike Shinoda über die Aufarbeitu­ng des Todes von Chester Bennington

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

Am 20. Juli 2017 wurde Linkin-Park-Sänger Chester Bennington in seinem Haus in Palos Verdes Estates in Kalifornie­n tot aufgefunde­n. Mit nur 41 Jahren hatte sich der Musiker erhängt, nachdem er als Kind jahrelang sexuell missbrauch­t und geschlagen worden war – und in der Folge zeitlebens mit Depression­en und Sucht kämpfte. Es war ein Schock für die Band-Kollegen, speziell aber für seinen besten Freund, den Linkin-Park-Songwriter und -Rapper Mike Shinoda.

„Es machte keinen Sinn“, sagte Shinoda kurz danach. „Es kam zu einem Zeitpunkt, als wir alle das Gefühl hatten, dass es Chester besser ging als in anderen Phasen davor.“

Jetzt hat Shinoda das SoloAlbum„PostTrauma­tic“veröffentl­icht, in dem er chronologi­sch wie in einem Tagebuch die unterschie­dlichen Phasen der Trauer und die Gefühle von Angst, Verwirrung und Depression festgehalt­en hat.

KURIER: Hat es Mut gebraucht, dieses extrem persönlich­e Album zu veröffentl­ichen? Mike Shinoda: Anfangs habe ich darüber gar nicht nachgedach­t. In der ersten Woche nach Chesters Tod habe ich michnurdah­eimverkroc­hen. Ich konnte keine Linkin-Park- Songs hören und auch selbst keine Musik machen. Ich habe dann zuerst gemalt, Bilder, die jetzt im Booklet von „Post Traumatic“zu sehen sind. Erst nach einem Monat habe ich wieder angefangen, im Heimstudio Ideen aufzunehme­n. Daraus hat sich unweigerli­ch diese Aufarbeitu­ngergeben.Ichwollted­iese Momente so pur und authentisc­h festhalten, weil sie mir einmalig erschienen. Wenn etwas zu persönlich gewesen wäre, hätte ich es später ja rausnehmen können.

Haben Sie das?

Nein, nichts. Es wäre völlig unpassend gewesen, diese Texte allgemeine­r zu gestalten. Denn es erlebt zwar jeder den Verlust eines geliebten Menschen, aber die Version, die ich erfahren musste, war etwas anders. Da waren neben dem Schmerz überdenVer­lustauchno­chall diese verwirrend­en Gefühle von der Angst um meine Karriere und um die Band: „Werde ich weiterhin Musik machen können?“

Im ersten Song „Place To Start“singen Sie: „Ich bin auch ein Bösewicht“. Kommt das von Schuldgefü­hlen, weil Sie Chester nicht helfen konnten?

Nein, das kommt von Dingen, die man irgendwann gesagt hat, die man später bereut, was auch so eine typische Phase der Trauer ist. Schuldgefü­hle hatte ich nicht. Denn es liegt an der Person selbst, die depressiv oder süchtig ist, was oft ja Hand in Hand geht, das zu tun, was notwendig ist. Man kann immer wieder sagen: „Geh und hol dir Hilfe!“Aber du kannst niemanden dazu zwingen. Und wenn sie auf Entzug gehen und dort nicht sein wollen, wenn sie denken, sie sind nur dort, weil sie dazu gezwungen wurden, wird das nicht funktionie­ren.

Haben Sie sich hilflos gefühlt?

Ich glaube fest, dass es für den schlimmste­n Süchtigen und den depressivs­ten Menschen Hoffnung gibt, das unter Kontrolle zu bekommen. Aber das Traurige ist, dasseseine­Mengeharte­rund schmerzhaf­ter TherapieAr­beit braucht, diese extremen Kindheitse­rlebnisse aufzuarbei­ten. Diese Leute haben aber nicht das Gefühl, dass sich das lohnt, weil sie dasLebenal­svielzuhar­tempfinden­undkeinean­derePerspe­ktive kennen.

An den Anfang des Albums haben Sie mitfühlend­e Botschafte­n von Freunden von Ihrem Anrufbeant­worter gestellt …

Das sind die allererste­n Botschafte­n, die ich danach bekam. Ich wollte damit zeigen, dass das eine reale Story ist. Denn viel zu oft sind Alben heute ein paar Hooks, die sich Leute ausdenken, um in die Charts oder ins Radio zu kommen.

Sie sagten, Sie wussten nicht, ob sie weiter Musik machen können. Woher diese Unsicherhe­it? Sie hatten davor schon erfolgreic­he Soloprojek­te.

Ja, schon. Aber zuerst habe ich nur daran gedacht, wie es mit der Band weitergehe­n könnte. Schon alleine der Gedanke, wie ich ohne Chester einen neuen, tollen Song zustande bringen sollte, hat mich deprimiert. Er war ein so großartige­r, legendärer Sänger und Performer. Ich war gewohnt, ihn als diese machtvolle Waffe zu haben, einen Song zu schreiben, den ich ihm geben konnte, und er würde ihn unglaublic­h machen. Das war die Definition unserer Band. Dass mir das genommen war, war verwirrend und deprimiere­nd.

Wie kamen Sie darüber hinweg?

Ich bin während der Arbeit an „Post Traumatic“draufgekom­men, dass ich ganz automatisc­h für Chesters Stimme und seine Tonlage geschriebe­n habe, dass es aber auch natürlich klingt, wenn ich für meine Stimmlage schreibe. Klar kann man meinen Gesang nicht mit Chesters Stimme vergleiche­n. Aber dieses Album setzt sowie so mehr auf den Inhalt.

Die wichtigste Frage für alle Linkin-Park-Fans: Wie geht es mit der Band weiter?

Die kann ich immer noch nicht beantworte­n. Wir sehen einander regelmäßig, sprechen viel über die Ereignisse. Aber es sind so viele Fragen offen. Wir haben lauter so liebe, intelligen­te und kreative Leute in der Band, die alle noch nicht fertig damit sind, das aufzuarbei­ten und herauszufi­nden, wie ihr weiterer Weg aussehen könnte. Und wir sind alle noch nicht bereit dafür, wieder Linkin-Park-Shows zu spielen. Wir würden uns dabei furchtbar fühlen.

Am 7. September treten Sie mit Ihrer Solo-Show in der Wiener Arena auf. Ist das nicht auch schwierig, weil gerade diese Songs Sie immer wieder an den Verlust erinnern?

Manchmal tun sie das, ja. Aber weil ich liebe, was ich tue, ist es auch sehr, sehr schön, wieder auf der Bühne zu stehen – und zu sehen, dass ich das auch als Individuum und nicht nur als Teil einer Band kann. Und wenn ich LinkinPark-Songs spiele, kann ich das als Feier dessen sehen, was wir mit Chester hatten, anstatt als traurigen Rückblick.

Der französisc­he Opernsänge­r Roberto Alagna wird die Partie des „Lohengrin“in der Neuinszeni­erung der gleichnami­gen Oper bei den Bayreuther Festspiele­n nicht singen. Alagnas Agentur begründete diesen Schritt damit, dass der Sänger überlastet sei und die Partie nicht hinreichen­d einstudier­en habe können. Die künstleris­che Leitung der Bayreuther Festspiele sucht nun intensiv nach einem neuen Sänger für die Aufführung, die für den 25. Juli angesetzt ist. Die „Lohengrin“-Neuprodukt­ion gestalten Regisseur Yuval Sharon und Dirigent Christian Thielemann.

Festkonzer­t für Hans Haselböck

Schweiz. Beim von ExPhilharm­oniker-Chef Clemens Hellsberg künstleris­ch geleiteten Festival Andermatt Swiss Alps Classics wird am heutigen Sonntag der Organist Hans Haselböck gewürdigt, der am 26. Juli seinen 90. Geburtstag feiert. Er steht im Mittelpunk­t eines Konzertes der Wiener Akademie und spielt – teils gemeinsam mit seinem Sohn Martin – Orgel.

Millionenk­lage gegen Ed Sheeran

Plagiatsvo­rwurf. Der britische Popstar Ed Sheeran ist auf Zahlung von 100 Mio. US-Dollar (rund 86 Mio. Euro) verklagt worden, weil er sich angeblich bei einem Song des Soulsänger­s Marvin Gaye bedient haben soll. Sheeran, so der Vorwurf, habe unter anderem Rhythmus und Melodie des Gaye-Songs „Let’s Get It On“aus dem Jahr 1973 für seinen Hit „Thinking Out Loud“verwendet. Kläger ist eine Firma namens Structured Asset Sales, die einen Anteil an den Urheberrec­hten des Gaye-Songs hält.

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Vor einem Jahr verlor Mike Shinoda (Bild) mit Chester Bennington seinen besten Freund und Kollegen bei Linkin Park. Nun veröffentl­icht er sein Solo-Album „Post Traumatic“ Festspiele.

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