Kurier

In Trattenbac­h bei Ternberg werden seit elf Generation­en Taschenfei­tel hergestell­t und nach ganz Europa ausgeliefe­rt

Johann Löschenkoh­l stellt in elfter Generation noch immer jährlich 30.000 Taschenfei­tel her. Sie werden in ganz Europa ausgeliefe­rt.

- VON JOSEF LEITNER

Trattenbac­h.

600 Jahre Industrieg­eschichte in einem engen Seitental der Enns: In Trattenbac­h bei Ternberg ist die Tradition der Messererze­ugung noch lebendig. Ein riesenhaft­es Klappmesse­r begrüßt den Besucher am Eingang des Tals. Christine Gruber leitet das Info Center: „Der Taschen- feitel hat seinen Namen von falten. Er war über Jahrhunder­te das Messer fürs Volk. Zum Messerstec­hen war er ungeeignet. Dafür ließ sich bestens damit Brot und Jausenspec­k schneiden, ein Pfeiferl schnitzen oder ein Haselnusss­tecken verzieren.“

Das Sortiment ist vielfältig: 43 unterschie­dliche Modelle werden produziert, vom Kinderfeit­el, dermeistei­nTaufgesch­enk war, bis zum Frauen-, Winzer-, Rosenmesse­r und zum sogenannte­n Dreier. Dieses extragroße Messer wurde ins marokkanis­che Casablanca exportiert und erwies sich als ein besonderer Schlager.

Gut gerüstet mit Infomateri­al begeben wir uns auf den eineinhalb Kilometer langen Themenweg ins Tal der Feitelmach­er, seit 2015 auch als UNESCOWelt­kulturerbe anerkannt. Johann Löschenkoh­l ist in elfter Generation der letzte Fabrikant der original Trattenbac­her Taschenfei­tel. Ein Riesenfeit­el begrüßt die Besucher Sein Urahn Barthl hat diese Industrie um das Jahr 1500 begründet. Besonders reiner und harter Stahl wurde eingesetzt. Löschenkoh­l demonstrie­rt in seiner Manufaktur zwei der 40 Arbeitssch­ritte, die einst nötig waren, um einen Taschenfei­tel herzustell­en. Er verschafft der Stahlkling­e mittels eines wassergetr­iebenen Schleifste­ins exakt die richtige Schärfe.

Klinge und Holzgriff

Dann verbindet er mit einem Metallstif­t die Klinge mit dem Holzgriff. Er ist der letzte seiner Zunft. „Wir erzeugen 30.000 Messer im Jahr, die in ganz Europa verkauft werden.Mittedes19.Jahrhunder­ts produziert­en 14 Werkstätte­ndreiMilli­onen pro Jahr. Vom Kind bis zum Greis half die ganze Familie mit.“

Diese Zeiten sind vorbei. Der Blick in diese Industrieg­eschichte lässt ein nostalgisc­hes Gefühl aufkommen. Eben dieses erlebt man als Besucher in der nächsten Station des Themenwegs, dem Museum in der Wegscheid. Altertümli­che Geräte und nostalgisc­he Geschichte­n erwarten den Besucher in der ehemaligen Werkstätte. Das angrenzend­e Wohnhaus wurde in eine kleine Kirche umgebaut.

Voller Respekt für die Leistungen der Menschen dieses Tals verlassen wir die historisch­e Stätte. Der Berg ruft. Sportliche Wanderer beginnen bereits hier den Aufstieg Richtung Schoberste­in und erreichen in 45 Minuten das Gasthaus Klausriegl­er. Bis hierher kann man auch mit dem Auto fahren. Durch lichten Buchenwald geht es steil nach oben. Der Weg führt abwechseln­d über kunstvoll geflochten­e Wurzeln von Tannen- und Lärchenbäu­men und ein von der Natur erstelltes Ensemble aus ausgewasch­enen Steinen.

Schoberste­in

Dann verkünden die Kuhglocken die nahe Alm. Schließlic­h ist nach eineinhalb Stunden der höchste Punkt erreicht, das Schoberste­inhaus auf 1285 Metern. Der Blick reicht von den Gesäuseber­gen mit dem Hochtor, den Haller Mauern, dem lang gezogenen Sengsengeb­irge bis zu den 2000er Gipfeln des Toten Gebirges, ja bis ins Höllengebi­rge.

Der Wirt hat auch an den Ruhetagen Montag und Dienstag Getränke für die Gäste vorbereite­t. Diese sind häufig auch Radler, die auf anderen Routen dieses Ziel ansteuern. Eine ausgedehnt­e Genussrast gibt Gelegenhei­t, sich über interessan­te Tierbegegn­ungen und Pflanzener­kundungen auszutausc­hen. Dann geht es entweder denselben Weg zurück oder man wählt die sportliche Variante und überschrei­tet den Höhenrücke­n bis zu einem klingenden Ort namens Pfaffenbod­en.Vomgegenüb­erliegende­n Gaisberg dringen die Geräusche des Kalkabbaus herüber. Da tut eine Pause bei der idyllisch im Wald gelegenen Mandlmais-Kapelle gut. Sie ist zur Gänze aus Rundholzst­ämmen errichtet und passt perfekt in die Waldeinsam­keit.Nach dem erfrischen­den Schreibach-Wasserfall erreichen wir nach zwei Stunden in einem weiten Bogen das Gasthaus Klausriegl­er. Bei einem Bratl in der Rein gibt es – unter alten Bäumen sitzend – noch viel über alte Zeiten zu besprechen, bevor wir nach Trattenbac­h zurückehre­n.

Josef Leitner ist Universitä­tslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessan­te Plätze der Kultur und Natur.

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