Kurier

Weinen mit den Reichen und Schönen

- VON WOLFGANG LUSAK Das ist zum Weinen.

Wieso weinen so viele mit, wenn Prominente öffentlich weinen? Zum Beispiel im Champions-LeagueFina­le oder bei der FußballWM, wo Fußball-Millionäre wegen eines verletzung­sbedingten Ausscheide­ns, wegen ihrer Niederlage oder ihres Sieges weinten. Viele Zuseher weinten bei der kürzlich inszeniert­en royalen Hochzeit mit, als der Bräutigam Ja sagte und gemeinsam mit Gästen feuchte Augen bekam. Auch bei anderen bewegenden Ereignisse­n, Wettbewerb­en, Wahlen und Bühnen-Auftritten: Die Massen weinen mit „Reich und Schön“mit.

Wahrschein­lich, weil ihnen diese für sie sonst unerreichb­aren Idole und VIPs in diesen Momenten menschlich so nahe sind.

Weil sie sich mit ihnen identifizi­eren, deren Glück und Elend im Rausch großer Gefühle auch als das ihre empfinden. Auch wenn sie fürs Zusehen zahlen müssen und vielleicht sogar mit Steuern, Käufen und Beiträgen deren Erfolge unterstütz­en.

Wieso haben nun die gleichen Menschen oft viel weniger Mitgefühl, wenn es sich um anonyme, fremde Verhungern­de, Kriegs-Vertrieben­e oder Umweltopfe­r handelt?

Ich korrigiere mich da ein wenig: Bei großen CharityEve­nts und Spenden-Kampagnen werden gute Taten gesetzt – allerdings bringen auch dort erst aufrütteln­de Katastroph­en-Bilder und prominente „Fürspreche­r“die Spendierfr­eude auf Touren. Die Betroffenh­eit ist eine öffentlich inszeniert­e. Kleine und große Spender dürfen sich durch Nennung und Auftritte in ihrem Gut-Sein sonnen. Das lebt weiter im profession­ellen, aber wenig nob- len PR-Leitbild „Tue Gutes und rede darüber“.

„Ich denk an mich“

Damit kommen wir zu weiteren Fragen: Sind wir großer Gefühle, echter Nächstenli­ebe, Empathie und Solidaritä­t ohne Inszenieru­ng überhaupt noch fähig? Denken viele von uns insgeheim den ursprüngli­ch unfreiwill­ig tragikkomi­schen Gedanken „Alle denken nur an sich, nur ich denk’ an mich“? Müssen es wirklich immer nur die medial hochgespie­lten SuperPromi­s oder die Ärmsten der Armen sein, die uns berühren und bewegen? Verführt uns globalisie­rtes Event-Mitleid zum sonstigen Abstumpfen? Können wir uns da noch vor Ort, in unserer Umgebung hilfsberei­t und menschlich verhalten? Ich glaube schon, vor allem in den kleineren Kommunen, „Grätzeln“und Vereinen, in denen noch echtes Gemeinscha­ftsgefühl besteht – diese scheinen aber in die Defensive zu geraten.

Hinter den Kulissen

Und mit diesen weniger werdenden, echte Menschlich­keit Lebenden habe nun wiederum ich Mitleid. Weil es oft hart Arbeitende sind, die alle ihre Steuern voll zahlen, die sich ihrer Gemeinscha­ft aber auch großer Aufgaben annehmen. Sie helfen hinter den Kulissen. Dem steht gegenüber, dass manche TopFußball­er nicht einmal ihre Steuern zahlen. Dass so manche sich in Charity-Shows selbst beweihräuc­hernde Konzernche­fs und VIPs nebenbei unverantwo­rtlich mit Gesetzen, Gesellscha­ft und Umwelt umgehen. Dass Medien, die für spektakulä­re Spenden-Aktionen trommeln auch die Zunahme der Polarisier­ung nähren. Statt sich allesamt wie der anständige Mittelstan­d zu verhalten.

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Mag. Wolfgang Lusak ist Unternehme­nsberater, Lobby-Coach & Mittelstan­ds-Aktivist Lusak Consulting: www.lusak.at; Lobby der Mitte: www.lobbydermi­tte.at

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