Weinen mit den Reichen und Schönen
Wieso weinen so viele mit, wenn Prominente öffentlich weinen? Zum Beispiel im Champions-LeagueFinale oder bei der FußballWM, wo Fußball-Millionäre wegen eines verletzungsbedingten Ausscheidens, wegen ihrer Niederlage oder ihres Sieges weinten. Viele Zuseher weinten bei der kürzlich inszenierten royalen Hochzeit mit, als der Bräutigam Ja sagte und gemeinsam mit Gästen feuchte Augen bekam. Auch bei anderen bewegenden Ereignissen, Wettbewerben, Wahlen und Bühnen-Auftritten: Die Massen weinen mit „Reich und Schön“mit.
Wahrscheinlich, weil ihnen diese für sie sonst unerreichbaren Idole und VIPs in diesen Momenten menschlich so nahe sind.
Weil sie sich mit ihnen identifizieren, deren Glück und Elend im Rausch großer Gefühle auch als das ihre empfinden. Auch wenn sie fürs Zusehen zahlen müssen und vielleicht sogar mit Steuern, Käufen und Beiträgen deren Erfolge unterstützen.
Wieso haben nun die gleichen Menschen oft viel weniger Mitgefühl, wenn es sich um anonyme, fremde Verhungernde, Kriegs-Vertriebene oder Umweltopfer handelt?
Ich korrigiere mich da ein wenig: Bei großen CharityEvents und Spenden-Kampagnen werden gute Taten gesetzt – allerdings bringen auch dort erst aufrüttelnde Katastrophen-Bilder und prominente „Fürsprecher“die Spendierfreude auf Touren. Die Betroffenheit ist eine öffentlich inszenierte. Kleine und große Spender dürfen sich durch Nennung und Auftritte in ihrem Gut-Sein sonnen. Das lebt weiter im professionellen, aber wenig nob- len PR-Leitbild „Tue Gutes und rede darüber“.
„Ich denk an mich“
Damit kommen wir zu weiteren Fragen: Sind wir großer Gefühle, echter Nächstenliebe, Empathie und Solidarität ohne Inszenierung überhaupt noch fähig? Denken viele von uns insgeheim den ursprünglich unfreiwillig tragikkomischen Gedanken „Alle denken nur an sich, nur ich denk’ an mich“? Müssen es wirklich immer nur die medial hochgespielten SuperPromis oder die Ärmsten der Armen sein, die uns berühren und bewegen? Verführt uns globalisiertes Event-Mitleid zum sonstigen Abstumpfen? Können wir uns da noch vor Ort, in unserer Umgebung hilfsbereit und menschlich verhalten? Ich glaube schon, vor allem in den kleineren Kommunen, „Grätzeln“und Vereinen, in denen noch echtes Gemeinschaftsgefühl besteht – diese scheinen aber in die Defensive zu geraten.
Hinter den Kulissen
Und mit diesen weniger werdenden, echte Menschlichkeit Lebenden habe nun wiederum ich Mitleid. Weil es oft hart Arbeitende sind, die alle ihre Steuern voll zahlen, die sich ihrer Gemeinschaft aber auch großer Aufgaben annehmen. Sie helfen hinter den Kulissen. Dem steht gegenüber, dass manche TopFußballer nicht einmal ihre Steuern zahlen. Dass so manche sich in Charity-Shows selbst beweihräuchernde Konzernchefs und VIPs nebenbei unverantwortlich mit Gesetzen, Gesellschaft und Umwelt umgehen. Dass Medien, die für spektakuläre Spenden-Aktionen trommeln auch die Zunahme der Polarisierung nähren. Statt sich allesamt wie der anständige Mittelstand zu verhalten.
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Mag. Wolfgang Lusak ist Unternehmensberater, Lobby-Coach & Mittelstands-Aktivist Lusak Consulting: www.lusak.at; Lobby der Mitte: www.lobbydermitte.at