Krankheit als Armutsfalle
Berufsunfähigkeit. Wer in Österreich nicht mehr arbeitsfähig ist, hat mit vielen Hürden zu kämpfen, weiß Jürgen E. Holzinger vom Verein ChronischKrank.
Herbert S. ist 45 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Seine Frau arbeitet halbtags als Büroangestellte. Er selbst hatte einen gutbezahlten Job als Verkaufstechniker. Dienstreisen und Zeitdruck gehörten zu seinem Alltag. Mit der Zeit litt Herbert aber immer öfter an Schlafproblemen, fühlte sich antriebslos und schwach, war innerlich unruhig und hatte körperliche Beschwerden. Allmählich wurden ihm auch der Stress und der Leistungsdruck zu viel. Seine Frau drängte ihn dazu, einen Spezialisten aufzusuchen. Dieser stellte eine eindeutige Diagnose: Herbert S. leidet an einer schweren Depression.
Völlig ausgeliefert
Da Herbert S. seinen Job aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr ausüben konnte, musste er einen Antrag auf Rehabilitation bei der Pensionsversicherungsanstalt stellen. Jede Ladung Jürgen E. Holzinger Verein ChronischKrank zu einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung verursachte einen neuen Krankheits-Schub. Die Ungewissheit, das Gefühl, einem wildfremden Menschen völlig ausgeliefert zu sein, Panik vor der Großstadt – „da kommt Vieles zusammen“– erzählt Herbert. Etwa auch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, das Herbert von den Gutachtern der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vermittelt bekam. Einer dieser Termine blieb Herbert gut in Erinnerung. „Der Gutachter studierte meine Befunde sowie diverse PVA-Dokumente und richtete ein paar kurze, eher beiläufige Fragen an mich. Ich war so perplex, so eingeschüchtert und sprachlos, dass ich einfach nicht fähig war, in das merkwürdige Geschehen einzugreifen. Dass eine derartige Begutachtung kein vernünftiges Ergebnis hervorbringen kann, war mir sofort klar“, berichtet Herbert über seine ernüchternden Erfahrungen. Wider Erwarten folgte eine Einladung zu einer weiteren Untersuchung bei der PVA. Aufgrund der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung habe sich die Notwendigkeit der Durchführung einer psychodiagnostischen Untersuchung ergeben, hieß es in dem Schreiben. Die Frage nach dem Warum wurde mit einem knappen „Beschluss der Kommission“beantwortet. Die psychodiagnostische Untersuchung sah dann so aus: „Ich wurde vor einen PC gesetzt und musste etliche Male dasselbe Spiel spielen: Eine Strecke nachfahren – grüne Taste links, rote Taste rechts...“
Ziel verfehlt
Die Ziele der Berufsunfühigkeitsund Invaliditätspensionsreform 2014 waren sehr ambitioniert: So sollte die Zahl derBe rufs unfähigkeitsund Invalidität s pension ist Innen deutlichverr ing ert,dasPens ions antritts alter erhöht und Betroffene rascher wieder in Erwerbsleben eingeglieder werden. Insgesamt sollten damit rund eine Milliarde Euro an Steuern eingespart werden. Die Realität sieht allerdings anders aus .„ Die Zahl der abgelehnten Anträge auf medizinische Reh abili tat ions maßnahmen steigt seit 2014 massiv an und die Betroffenen schaffen kaum mehr in den Job zurück“, so Jürgen E. Holzinger vom Verein ChronischKrank in Österreich. Nach einer internen Analyse der PVA haben von rund 15.000 Berufsunfähigen durch eine U ms chulungsmaßn ahme nur 17 Personen wieder einen Job gefunden. 19.508 Menschen bezogen im Jahr 2016 Rehageld. Gestellt wurden aber mehr als 57.000 Anträge. Immer wieder wird das Rehabgeld wegen „Nichtmitwirkung“entzogen, wobei die Betroffenen oft ihr Möglichstes geben. Die nächste Reform ist bereits in Vorbereitung.
„Die Zahl der abgelehnten Anträge steigt massiv an.“