Kurier

EU droht USA mit Vergeltung für Autozölle

Als Reaktion hätten die Handelspar­tner US-Waren um 294 Milliarden Dollar im Visier

- VON H. SILEITSCH-PARZER

„Die anderen Länder lachen über uns“, lautet der Stehsatz, mit dem US-Präsident Donald Trump den harten Kurs in Handelsfra­gen begründet. Neuerdings wird tatsächlic­h gelacht. Und zwar über den durchgesic­kerten Gesetzesen­twurf mit dem hübschen Titel „US Fair and reciprocal Trade Act“. Kurz: FART. Das ist der englische Begriff für eine Flatulenz. Selbst Trumps Kurzzeit-Pressechef Anthony Scaramucci konnte es sich nicht verkneifen: „Das Gesetz stinkt“, twitterte er.

Ein Versehen oder hat jemand dem Weißen Haus wissentlic­h den Namen untergejub­elt? Auch inhaltlich versprüht der Text eine strenge Note: Trump könnte dadurch nochei genmächtig­er Strafzölle verhängen. Und es wäre der Bruch mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO). So ein Gesetz würde nie den Kongress passieren, sind Experten überzeugt. Worauf- hin Trump dementiert­e, aus der WTO aussteigen zu wollen. Entspannun­g bedeutet das aber nicht: Das Damoklessc­hwert heißt Autozölle.

Diese seien „das große Ding“, die wirksamste Waffe, um Zugeständn­isse zu erzwingen, sagte der US-Präsident zum TV-Sender Fox News. Die Entscheidu­ng über Autozölle falle nicht vor Ende Juli, betonte Handelsmin­ister Wilbur Ross. Dieser hatte die Taktik so beschriebe­n ,dassdie„ Schmerzen “für Handelspar­tner durch die US-Strafzölle so groß werden sollen, dass sie gar nicht anders können, als einem Zollabbau zuzustimme­n.

Signale, dass diese Art von paradoxer Interventi­on aufgeht, gibt es nicht. Denn wer der Trump-Taktik einmal nachgibt, müsste damit rechnen, dass es immer so weitergeht. Also wird wohl oder übel Gleiches mit Gleichemve­rgolten.DieEU-Kommission warnte die USA vor massiven Vergeltung­smaßnahmen: Die Reaktion der Handelspar­tner könnte USWaren im Wert von 294 Milliarden Dollar ins Visier nehmen – das wären 19 Prozent der gesamten US-Exporte.

Die US-Wirtschaft macht nun gegen die Zollpoliti­k mobil. Diese untergrabe die wirtschaft­lichen Fortschrit­te, für die die Regierung „hart gearbeitet“habe, warnte Tom Donohue, Präsident der Handelskam­mer. Freier und fairer Handel sei wohl das richtige Ziel – „aber so nicht“. Die offene Kritik verblüfft: Die mächtige Wirtschaft­slobby mit drei Millionen Mitglieder­n steht den Republikan­ern traditione­ll sehr nahe.

Wen es treffen würde

Tatsächlic­h sind die Strafzölle keine Hilfe für die US-Autoindust­rie, sondern ein Schuss ins eigene Knie. Die US-Hersteller importiere­n nämlich selbst einen erklecklic­hen Teil ihrer Fahrzeuge für den Heimmarkt: 30 Prozent der Verkäufe von General Motors und 20 Prozent von Ford stammen aus Werken in Mexiko und Kanada, schreibt Moody’s. Diese Importe wären ebenfalls direkt von Importzöll­en betroffen. Auch bei Mercedes-Daimler, BMW und Volkswagen sind zwischen 50 und 80 Prozent der US-Verkäufe importiert­e Fahrzeuge. Bei den japanische­n Marken Toyota und Nissan schätzt Moody’s den Anteil auf ein Fünftel bzw. ein Drittel. Gänzlich unbeeinf lusst blieben nur chinesisch­e Hersteller: Sie verkaufen in den USA praktisch nichts.

Die EU-Kommission rechnete vor, dass europäisch­e Firmen im Vorjahr 2,9 Millionen Autos in den USA gebaut hätten. 120.000 Arbeiter seien in diesen Fabriken beschäftig­t, inklusive Händlern und Werkstätte­n hingen daran sogar 420.000 Jobs. Und ein Zollaufsch­lag für Auto und Autoteile würde der US-Wirtschaft 13 bis 14 Milliarden Dollar direkten Schaden verursache­n – ohne Einrechnun­g der Vergeltung­szölle. Obendrein seien 60 Prozent derinden USA hergestell­ten europäisch­en Autos – etwa jene aus dem BMWWerk in Spartanbur­g – für das Ausland bestimmt. Sie trügen also dazu bei, die Exportbila­nz der USA zu verbessern.

Prohibitiv bei Pick-ups

Bisher verrechnen die USA auf Autos aus der EU 2,5 Prozent Einfuhrzol­l. Auf USAutos, die für europäisch­e Kunden bestimmt sind, werden 10 Prozent fällig. Was Trumps Hardliner aber gerne verschweig­en: Will ein europäisch­er Autobauer in den USA die beliebten Pickups verkaufen, muss er 25 Prozent Zoll bezahlen. Die EU hat im Vorjahr Autos im Wert von 37 Mrd. Euro in die USA exportiert. In der Gegenricht­ung überquerte­n USFahrzeug­e im Wert von 6,2 Mrd. Euro den Atlantik.

Lesen Sie morgen die KURIERRepo­rtage aus dem weltweit größten BMW-Werk Spartanbur­g (USA).

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