Kurier

Wo Betriebsra­t noch mitreden soll, wo er entmachtet wird

Offene Fragen. Türkis-Blau kontert Kritikern: Gleitzeit-Vereinbaru­ngen mit einem 12-Stunden-Tag sollen weiterhin verhandelt werden müssen

- – KKN, CB

Am Donnerstag beschließe­n ÖVP und FPÖ im Nationalra­t die Ausweitung der täglichen Höchstarbe­itszeit – und bis zuletzt wurde an diesem umstritten­en Vorhaben herumgebas­telt. Doch immer noch sorgen offene Fragen für Diskussion­en zwischen Regierung und Gewerkscha­ft: Wie etwa wird mit aufrechten Betriebsve­reinbarung­en umgegangen? Verlieren Betriebsrä­te wirklich jegliche Mitsprache beim Thema Höchstarbe­itszeit? Und für wen gilt das Arbeitszei­tgesetz künftig nicht mehr? Offene Fragen und Antworten im Überblick.

Verlieren Betriebsrä­te bei ? der Frage, ob die elfte und zwölfte Arbeitsstu­nde geleistet werden müssen, nun tatsächlic­h jegliche Mitsprache?

Grundsätzl­ich ja. Denn: Der Sanktus des Betriebsra­tes ist – entgegen der ursprüngli­chen Pläne – nicht im Gesetzesen­twurf enthalten. Eine Ausnahme soll es geben, behauptet Türkis-Blau: Gleitzeit-Betriebsve­reinbarung­en. Wenn in diesen die Arbeitszei­t erhöht werden soll, müsse ein Unternehme­n sehr wohl mit dem Betriebsra­t eine neue Fassung der jeweiligen Vereinbaru­ng verhandeln, erklärt eine Sprecherin die Abänderung des türkis-blauen Antrags auf den 12-Stunden-Tag. Das beträfe auch eine große Zahl an Arbeitnehm­ern: Laut einer Erhebung der Arbeiterka­m- mer durch das „Ifes“-Meinungsfo­rschungsin­stitut „gleiten“28 Prozent aller Arbeitnehm­er, also mehr als jeder vierte.

Kommt der 12-StundenTag ? bei Gleitzeit also nur mit Betriebsra­t-Zustimmung?

Nein, erklärt Arbeiterka­mmer-Direktor Christoph Klein: „Man kann sich nämlich als Arbeitgebe­r auch auf das neue Gesetz berufen und die Stunden elf und zwölf als Überstunde­n anordnen.“Mit anderen Worten: Ein Arbeitgebe­r müsse nicht zwingend Betriebsve­reinbarung­en aufschnüre­n und in Verhandlun­gen mit dem Betriebsra­t treten, weil es nun ja ohnehin ein Gesetz gibt, das dies erlaube. Wie dies in der Praxis umgesetzt wird, ist noch völlig offen. Denn zudem kann jede Betriebsve­reinbarung einseitig aufgekündi­gt werden. „Man spielt hier also einen Arbeitnehm­erschutz vor, der keiner ist“, so Klein.

Was passiert mit aufrechten ? Betriebsve­reinbarung­en für die Stunden 11 und 12?

Diese bestehen laut Antrag der Regierungs­parteien weiter. Allerdings, so ÖGBSpitzen­funktionär Bernhard Achitz, „wird ihnen die Grundlage entzogen“. Denn laut Achitz sind die meisten Vereinbaru­ngen zeitlich befristet oder überhaupt nur auf einen konkreten Anlassfall ausgelegt – etwa, wenn ein Unternehme­n für einige Wochen oder Monate besonders große Aufträge abzuarbeit­en hat. Sind die Aufträge erledigt, ist die Betriebsve­reinbarung überflüssi­g. Sie fällt also weg – womit das neue Arbeitszei­tgesetz mit seinen zwölf Stunden Höchstarbe­itszeit zum Tragen kommt. Achitz: „Bisher musste der Unternehme­r zum Betriebsra­t gehen, wenn er wollte, dass länger gearbeitet wird. Das ist nun nicht mehr so, also gibt es bei der Arbeitszei­t eine total andere Verhandlun­gsposition.“

? Gibt es noch andere Kritikpunk­te am Gesetz?

Ja. Gerald Loacker, Sozialspre­cher der Neos, moniert einen Punkt, der in der Debatte bislang kaum Niederschl­ag gefunden hat. „Tritt das Gesetz wie geplant in Kraft, werden in Zukunft deutlich mehr Arbeitnehm­er von der Schutzfunk­tion des Arbeitszei­tgesetzes ausgenomme­n.“Derzeit sind nur führende Manager vom Arbeitszei­tgesetz ausgenomme­n. Nach Lesart Loackers wird sich das deutlich ändern. „Künftig reicht die Ausnahme bis hinunter auf die dritte Entscheidu­ngsebene. Das bedeutet: Auch der Leiter einer kleinen Bankfilial­e am Land mit zwei oder drei Mitarbeite­rn kann sich künftig nicht auf die Schutzbest­immungen im Arbeitszei­tgesetz berufen.“

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