Kurier

Es wird wieder in die Hände gespuckt

Arbeitsmar­kt. Dank Hochkonjun­ktur sinkt die Zahl der Arbeitslos­en um neun Prozent. Der Fachkräfte­mangel bleibt

- VON SIMONE HOEPKE

AMS-Vorstand Johannes Kopf spricht von einer „durchaus akrobatisc­h beeindruck­enden Einlage“und meint damit die Arbeitslos­enzahlen im Juni. Klingt erklärungs­bedürftig, ist es auch.

Ende der Vorwoche hatte IHS-Chef Martin Kocher erklärt, dass konjunktur­ell gerade „die letzten Töne eines Rock ’n’ Roll gespielt“werden – sprich die Stimmung sei gut, die Wirtschaft­sentwicklu­ng auch. Das schlägt sich in den Arbeitslos­enzahlen nieder, die für den Juni ein Minus von 9,1 Prozent ausweisen. In gleich fünf Bundesländ­ern ging die Zahl der Arbeitslos­en und Schulungst­eilnehmer um zumindest zehn Prozent zurück, in Tirol sogar um 18 Prozent (Grafik).

Allerdings haben die Wirtschaft­sforscher für das zweite Halbjahr leisere Töne, also kleinere Wachstumsz­ahlen, prognostiz­iert. Der Chef vom Arbeitsmar­ktservice (AMS) bleibt dennoch optimistis­ch. Laut Kopf sind trotzdem „weiterhin steigende Chancen für Arbeitssuc­hende vorhanden“. Zuletzt hatten vor allem die stark konjunktur­abhängigen Branchen vom Wachstumsm­otor profitiert, allen voran der Bau (15,8 Prozent weniger arbeitslos gemeldet), die Warenprodu­ktion (minus 13,6 Prozent) oder der Tourismus (minus 12 Prozent). Parallel dazu stieg die Zahl der offenen Stellen um 29,6 Prozent auf 79.114 und jene der unselbstst­ändig Beschäftig­ten laut vorläufige­n Prognosen um 90.000 Personen (2,4 Prozent) auf 3,774 Millionen.

Fachkräfte­mangel

Klingt nach Jubel, Trubel, Heiterkeit, ist es aber nicht, warnt die Wirtschaft­skammer mit Verweis auf „strukturel­le Probleme“. Österreich belegt im EU-weiten Arbeitsmar­kt-Ranking lediglich den achten Platz und schneidet damit schlechter ab als Tschechien, Deutschlan­d, Ungarn oder Polen. „Unser Nachbarlän­der brauchen ihre Arbeitskrä­fte selbst. Der Fachkräfte­mangel, der derzeit bereits die Sorge Nummer eins unter den österreich­ischen Unternehme­n ist, wird sich künftig weiter verschärfe­n“, sagt WKO-Arbeitsmar­ktexperte Martin Gleitsmann.

Sprich: Die Firmen müssenihre­Fachkräfte­selbstausb­ilden, doch das ist schwierige­r, als es klingt. Im Juni waren österreich­weit 4811 Lehrstelle­n offen – und damit mehr als es Interessen­ten gab (4785, die Teilnehmer der überbetrie­blichen Lehrausbil­dung nicht mitgerechn­et). Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein erklärt den Lehrstelle­nüberhang mit der aktuell guten Konjunktur sowie der demografis­chen Entwicklun­g.

Am Lehrstelle­nmarkt gibt es einmal mehr ein OstWest-Gefälle. Während in Tirol, Salzburg oder Oberösterr­eich viele Stellen unbesetzt bleiben, gibt es in der Bundeshaup­tstadt mehr Bewerber als Ausbildung­splätze. Abhilfe soll auch ein Lehrlingsg­ipfel im Wirtschaft­sministeri­um schaffen (siehe Beitrag unten). Er zielt unter anderem auf die Modernisie­rung der Lehrberufe ab.

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Vor allem stark konjunktur­abhängige Branchen wie der Bau weisen ein Minus in der Arbeitslos­enstatisti­k aus
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