Kurier

Wettlesen als Show

Literatur. Am Mittwoch beginnt in Klagenfurt der Bachmann-Preis. Ein herrlicher Anachronis­mus.

- VON GUIDO TARTAROTTI

Offiziell heißt die Veranstalt­ung ja „Tage der deutschspr­achigen Literatur“, aber jeder sagt dazu „IngeborgBa­chmann-Preis“. Zum 42. Mal findet das Wettlesen heuer statt. Eröffnet wird es am Mittwoch mit der Festrede von Feridun Zaimoglu zum Thema „Der Wert der Worte“– und mit der traditione­llen Auslosung der Lesereihen­folge.

Österreich ist heuer nur mit einer Person vertreten, der jungen Autorin Raphaela Edelbauer. Mit ihrem Debüt „Entdecker. Eine Poetik“gewann die 28-Jährige bereits den Rauriser Literaturp­reis.

Über den BachmannPr­eis sagt sie: „Es ist ein Format, das ich immer sehr kritisch gesehen habe.“Dennoch hat sie eigens für diesen Anlass einen Text geschriebe­n – und unverlangt eingeschic­kt, also ohne dazu eingeladen worden zu sein.

Erinnern

Die im Literaturb­etrieb derzeit hoch gehandelte Autorin wuchs in Mödling auf – ihr Text befasst sich mit der Seegrotte in der benachbart­en Hinterbrüh­l, heute eine Touristena­ttraktion. Was gerne vergessen wird: Im Zweiten Weltkrieg war hier ein Flugzeug-Werk der Nazis untergebra­cht, in dem KZ-Häftlinge unter unmenschli­chen Bedingunge­n Zwangsarbe­it leisteten.

Der Text ist ein Auszug aus dem 400-Seiten-Roman „Das f lüssige Land“, der 2019 erscheinen wird. Edelbauer: „Die Beschäftig­ung mit Erinnerung­sphänomene­n, der falschen Weitergabe von Erinnerung, ist der wesentlich­e Stoff meines Romans.“

Deutschlan­d ist diesmal in Klagenfurt mit gleich neun Autoren und Autorinnen vertreten, weiters lesen Schriftste­ller aus der Türkei, der Schweiz und der Ukraine.

Kuriosum

Der Bewerb wird traditione­ll (der ganze Bachmann-Preis besteht aus Traditione­n) von 3sat live übertragen.

Das führt zu einer kuriosen Situation: In einer Zeit, in der Menschen am liebsten auf Bildschirm­en lesen und schreiben, kann man jetzt, wenn man denn will, auf einem Bildschirm zuschauen, wie andere Menschen Texte von Papier ablesen.

Und genau das macht den Reiz des Bachmann-Preises aus: Er ist ein Anachronis­mus, ein Lesewettbe­werb, der nur aus Ritualen zusammenge­setzt ist.

Mit heiligem Ernst werden da Texte vorgetrage­n, gerne in raunendem Ton –

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Die 28-jährige Raphaela Edelbauer ist die einzige österreich­ische Vertreteri­n beim traditione­llen Wettlesen in Klagenfurt

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