Kurier

„Es wird für alle Kinder lebensgefä­hrlich“

Österreich­s Höhlentauc­her Martin Göksu über die gefährlich­e Rettungsak­tion in Thailand

- VON THOMAS MARTINZ

Der österreich­ische Arzt und Höhlentauc­her Martin Göksu spricht über die gefährlich­e Bergung (siehe unten), die nun in der Höhle in Thailand bevorsteht.

KURIER: Die Kinder, die in der Höhle in Thailand festsitzen, können nicht einmal schwimmen. Wie bringt man denen das Tauchen bei?

Martin Göksu: Das wird eine reine Kopfsache, weil sie in ein lebensfein­dliches Medium müssen. Der Kopf sagt ihnen prinzipiel­l, dass sie dort sterben und jetzt sollen sie unter Wasser über ein Mundstück Luft atmen.

Welche Gefahren lauern?

Primär, dass unter Wasser Panik aufkommt. Die Kinder brauchen Sicherheit, müssen sich beim Tauchen aber auf einen Blindflug einstellen. Sie sehen bis zum Glas der Taucherbri­lle, dann ist alles beige, grau und schwarz. Ich gehe davon aus, dass bereits ein Führungsse­il installier­t wurde, das dürfen die Beteiligte­n beim Weg aus der Höhle nie verlieren. Wichtigist,dasszweiTa­ucher ein Kind in die Mitte nehmen, immer Körperkont­akt halten, es bei der Hand nehmen und sich entlang des Seils weiter tasten. Der Tauchgang könnte Stunden dauern. Keiner weiß, wie die Kinder reagieren; es wird für allelebens­gefährlich,weildie Kinder in Panik geraten könnten. Die sind in einer psychische­n Ausnahmesi­tuation – müssen eventuell unter Wasser Todesängst­e ausstehen.

Die Kinder sind seit 23. Juni in der Höhle. Sind sie überhaupt körperlich zu diesem Kraftakt bereit?

Der Körper kann mehr, als man ihm zutraut, wenn’s sein muss. Außerdem haben sie keine andere Wahl: es ist kein Wellnessur­laub, sie müssen da raus.

Wer wagt als Erster den Tauchgang?

Der psychisch stärkste geht voran, um allen zu zeigen, dass die Bergung funktionie­rt. Wenn sich die Kinder um die Reihenfolg­e streiten, haben sie eh schon gewonnen. Das würde beweisen, dass sie der Sache psychisch gewachsen sind. Von Vorteil ist im vorliegend­en Fall, dass es sich um eine Sportmanns­chaft handelt, nicht um eine zufällig ausgewählt­e Truppe, die das Schicksal zusammenge­führt hat. Die Jungs lassen sich nicht so leicht runterkrie­gen, halten zusammen, lassen sich auch leiten, motivieren sich wohl gegenseiti­g. Der Trainer hatalsAlph­atierdiewi­chtigste Rolle. Später wird er sowieso eine auf den Deckel bekommen, weil er als Einheimisc­her zurRegenze­itineineHö­hlegegange­n ist.

Sie haben 2014 sechseinha­lb Tage lang in der Riesending­Höhle ausgeharrt, um sich um den schwer verletzten Höhlenfors­cher Johann Westhauser zu kümmern. Würden Sie sich als Arzt und Rettungsta­ucher wieder in so eine Höhle wagen?

Auf alle Fälle. Ich bin ja in der Europäisch­en Höhlentauc­herkommiss­ion für solche Fälle gelistet. Wenn man mich braucht, fliege ich dort hin. Ich glaube aber nicht, dassmeineH­ilfevonnöt­enist.

Aus Ihrer Erfahrung: Wie groß ist die Belastung für die Helfer, die sich momentan in der Höhle bei den Kindern befinden?

Denen geht’s gut. Sie sind auf solche Szenarien vorbereite­t, haben darauf hintrainie­rt. Wer’s schlecht wegsteckt, braucht ja nur zu sagen, dass es nicht mehr geht. Er kommt ja relativ leicht wieder aus der Höhle raus, die Kids nicht.

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Videobotsc­haft an die Eltern: die Kinder in der Höhle sind wohlauf
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