Kurier

„Hofer soll Mut beweisen und Volksabsti­mmung zulassen“

Christian Kern. Wie der SPÖ-Chef den 12-Stunden-Tag aushebeln will und warum er zu einem Schlusslic­ht bei der Parlaments-Präsenz wurde

- – JOHANNA HAGER

KURIER: Sie attestiere­n der ÖVP-FPÖ-Regierung, beim 12-Stunden-Tag als „Arbeiterve­rräter“in die Geschichte einzugehen und kündigten im Parlament weitere Protestakt­ionen an. Mit welchen ist konkret zu rechnen? Christian Kern: Die Sozialdemo­kratie wird alles tun, um ein Gesetz, das für mehr als drei Millionen Beschäftig­te und fast alle Familien im Land nur Nachteile bringt, zu verhindern. Die Regierung mag mit Taschenspi­elertricks den Start des Gesetzes bereits in den September verlegen, aber den Protest wird sie nicht mehr los. 200 Organisati­onen von der Bischofsko­nferenz bis zur schwarzen AK Tirol und Vorarlberg bis zu Freiwillig­envereinen haben uns ablehnende Stellungna­hmen geschickt. Wir werden uns mit ihnen treffen und die weiteren Schritte planen. Wir werden die Proteste der Gewerkscha­ft solidarisc­h unterstütz­en und eigene Vorschläge zur Arbeit der Zukunft vorlegen.

Sie wollen eine Volksabsti­mmung über den 12-StundenTag. FPÖ-Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer geht von einer breiten Zustimmung für das ÖVP-FPÖ-Gesetz aus. Was lässt Sie ans Gegenteil glauben?

Jede Umfrage zeigt eine deutliche Ablehnung der 60-Stunden-Woche. Auch die Demonstrat­ion des ÖGB vom vergangene­n Samstag, an der mehr als 100.000 Menschen teilnahmen, und die große Zustimmung, die wir im Zuge unserer Kampagne gegen das Gesetz erleben, zeigen uns, dass es eine breite Ablehnung in der Bevölkerun­g gegen die 60-StundenWoc­he gibt. Aber wenn Minister Hofer so überzeugt davon ist, dass er diese Volksabsti­mmung gewinnt, dann soll er Mut beweisen und eine Volksabsti­mmung zulassen. Wir werden ihm dann gerne das Gegenteil beweisen.

Gemäß einer addendum-Recherche fehlten Sie – seit die ÖVP-FPÖ-Regierung im Amt ist – bei rund zwei Drittel der Abstimmung­en im Parlament. Das ist der zweitniedr­igste Wert hinter ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Der SPÖ-Klub weist die schlechtes­ten Anwesenhei­tsraten bei Abstimmung­en auf. Ist das Ihrer neuen Rolle als Opposition­sführer zuträglich?

Es gab bisher erst relativ wenige Plenartage. Als Parteichef, Leiter des Renner Instituts und Klubobmann habe ich zahlreiche wichtige Verpflicht­ungen im In- und Ausland, die es nicht zulassen werden, das ich zu einem der Spitzenrei­ter bei der PlenarTeil­nahme werde. Mir ist es genauso wichtig, viele Menschen im ganzen Land zu treffen und in Europa Bündnisse für eine gerechte Politik zu formen. Opposition­spolitik findet nicht nur im Parlament statt. Abgesehen davon habe ich durch einen Pflegefall in der Familie einige Plenartage gänzlich verpasst. Das wird sich also in den kommenden Monaten wieder ausgleiche­n. In Summe ist die Sozialdemo­kratie mit der Einrichtun­g eines U-Ausschusse­s zum BVT, mit zahlreiche­n Initiative­n, vielen Abänderung­en, die die Regierung aufgrund unserer Proteste an Gesetzen vornehmen musste und mit sehr engagierte­n Abgeordnet­en eine sehr schlagkräf­tige und durchsetzu­ngsfähige Opposition.

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SPÖ-Chef Christian Kern fehlte bei 69 Prozent der Abstimmung­en

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