Kurier

Pflasterst­eine vor türkis-blauen Türen

Bumerang-Aktionismu­s. FPÖ und ÖVP beschuldig­en SPÖ-Mandatare, „zu Gewalt bereit“zu sein

- – BERNHARD GAUL

Die Empörung bei den Abgeordnet­en der Regierungs­parteien war groß: In einer offenbar von SPÖ-nahen Aktivisten konzertier­ten Aktion wurden Donnerstag­früh Pflasterst­eine und Grablichte­r an den Türen von ÖVP- und FPÖ-Politikern deponiert – mit Botschafte­n wie „Arbeitnehm­erverräter“oder „60 Stunden arbeiten ist wie Autofahren ohne Sicherheit­sgurt“.

„Es fallen derzeit offenbar alle Grenzen und Hemmungen. Demokratis­cher Protest ist ein gutes Recht, aber Abgeordnet­e mit Gewalt zu bedrohen, ist indiskutab­el und eine beispiello­se Grenzübers­chreitung“, urteilte FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker über die Aktion.

Mit Gewalt drohen? Grenzübers­chreitung?

In den sozialen Medien waren SPÖ-Vertreter bemüht zu erklären, warum das Symbol gegen den 12Stunden-Tag ausgerechn­et Pflasterst­eine sein sollen. Begründet wird das mit Verweis auf die in den sozialen Medien weit verbreitet Rede von Gewerkscha­fter Willi Mernyi beim ÖGB-Kongress: Dort erzählte er von Günther, einem Pflasterer, der auf Baustellen ab sechs Uhr früh 17 Kilo schwere Pflasterst­eine „übers Kreuz“verlegt und so an einem nor- malen Arbeitstag fast dreieinhal­b Tonnen bewegt. Bei vier Stunden mehr am Tag müsste er weitere eineinhalb Tonnen heben. Wegen des 12-Stunden-Tages und acht Stunden Schlafs „bleiben Günther dann nur drei Stunden, um Mensch zu sein“, beschrieb Mernyi.

„Arbeitnehm­erverräter“

Deshalb also die Pf lasterstei­ne vor den Türen einiger Abgeordnet­en. Es sollte keine Drohung sein, sondern ein Hinweis auf erhöhte Arbeitsbel­astung.

Die Regierungs­parteien nahmen die Steine des Anstoßes dankbar auf: „Sie sind anscheinen­d zu Gewalt bereit“, rief FPÖ-Klubchef Johann Gudenus den SPÖMandata­ren zu, die Aktion sei „Klassenkam­pf auf tiefstem Niveau“. Die SPÖ hatte in der Tat einige Mühe, die Diskussion im Hohen Haus weg von der Aktion wieder auf das eigentlich­e Thema zu lenken. Eine geglückte Aktion sieht anders aus.

Die heftig geführte Debatte dauerte bis zum Nachmittag an. Entrüstet war die Opposition, weil das Gesetz nach kürzestmög­licher Begutachtu­ng nun schon ab September gelten wird. ExNeos-Chef Strolz zu Kanzler Kurz: „Sie gehen bewusst den Weg der Ignoranz.“

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