Giftfall vermutlich kein Anschlag
Großbritannien. Britisches Paar mit Nowitschok vergiftet – durch einen unglücklichen Zufall?
Die Rettungssanitäter scheinen diesmal sehr schnell reagiert zu haben. Als sie am vergangenen Samstag gleich zwei Mal im Abstand von wenigenStundenzueinemHaus in der südenglischen Stadt Amesbury gerufen wurden, nahmen sie gleich Proben undgabendieseweiter.Auch, wenn man damals noch davon ausging, dass die Erkrankten gestrecktes Heroin oder Crack zu sich genommen hätten.
Es war aber das Nervengift Nowitschok, eine Substanz, die in den 1970er-Jahren in der Sowjetunion entwickelt worden war. Das wurde nun bestätigt. Und damit ist die Region um ein Mysterium reicher. Denn gerade einmal vier Monate ist es her, dass in der Stadt Salisbury, der russische Ex-Spion Sergej Skripal gemeinsam mit seiner Tochter Julia mit Nowitschok vergiftet wurden. Und Amesbury liegt gerade einmal 15 Kilometer von Salisbury entfernt. Die Skripals wurden inzwischen aus dem Spital entlassen. Die beiden Opfer aus Amesbury hingegen befinden sich in kritischem Zustand.
Ein Gift – ein sehr seltenes noch dazu –, zwei aber völlig unterschiedliche Fälle. Denn anders als bei den Skripals (Sergej Skripal war über Jahre ein hochrangiger britischer Spitzel in den Rängen des russischen Geheimdienstes) gehen die britischen Ermittler in dem neuen Fall anscheinend nicht davon aus, dass Charlie Rowley (45) und Dawn Sturgess (44) Ziel eines Anschlages waren. Ausgegangen wird davon, dass die beiden an irgendeiner unbekannten kontaminierten Stelle unwissentlich Nowitschok aufgenommen haben.
Ein Nachbar des Paares gab etwa an, beide hätten oft Zigarettenstummel aufgehoben und geraucht. Den Freitag vor ihrer Erkrankung hatten beide in Salisbury verbracht. Der Zeitpunkt der Erkrankung nach Stunden spricht für eine Aufnahme des Giftes über die Haut. Denn oral aufgenommen oder eingeatmet wirkt Nowitschok binnen Minuten.
Gift weggeworfen
Ermittler erhoffen sich nun vor allem neue Erkenntnisse zum Anschlag auf Skripal. DiehöchsteKonzentrationan Nowitschok war am Eingang zu Skripals Haus gefunden worden. Auch an anderen Orten in Salisbury wurden Spuren des Giftes entdeckt. Möglich wäre auch, dass die Attentäter nach dem Anschlag das Gefäß oder einen Behälter mit dem Gift einfach weggeworfen hätten.
Für möglich wird aber auch gehalten, dass die jetzt Erkrankten in eine zweite Giftration gerieten, die für den Fall bereit gehalten worden war, dass der Angriff auf Skripal scheitert, die dann aber einfach weggeworfen wurde. Unklar ist aber nach wie vor, ob das Nowitschok in beiden Vergiftungsfällen aus derselben Produktionsreihe stammt.