Kurier

Autozölle: US-Botschafte­r möchte Nulltarif

Handelsstr­eit. Vorschlag verstößt gegen EU- und WTO-Recht – Börsen schöpfen dennoch Hoffnung

- – H. SILEITSCH-PARZER

Die Autoindust­rie und Börsianer schöpften am Donnerstag kurzfristi­g Hoffnung, dass sich die fatalen Autoimport-Zölle von 20 Prozent, die US-Präsident Donald Trump angedroht hatte, doch noch vermeiden lassen.

Anlass für den Optimismus war ein Gespräch, das der US-Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, laut Handelsbla­tt mit Managern der deutschen Autoindust­rie geführt hatte. Der neu bestellte Diplomat habe vorgeschla­gen, man könnte doch zwischen den USA und Deutschlan­d ganz auf Autozölle verzichten. Das wurde dankbar aufgegriff­en: Die Aktie von BMW legte 2,27 Prozent zu, die von Daimler 2,84 Prozent und die von VW 3,83 Prozent.

Das Problem dabei: Der Vorschlag mag einleuchte­nd klingen, er hat aber zwei gravierend­e Haken. Erstens: Die Kompetenz für Handelsdea­ls und Zölle liegt nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Das ist eine Angelegenh­eit, die nur von der Kommission im Auftrag aller 28 EU-Länder vereinbart werden könnte.

Nulltarif für 164 Länder

Zweites Problem: Nach den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO dürfen zwei Länder nicht eigenmächt­ig Zollsenkun­gen für einzelne Wirtschaft­sbereiche vereinbare­n – es sei denn, sie schließen ein umfassende­s Handelsabk­ommen ab (wie es das von Trump stornierte TTIP gewesen wäre). Andernfall­s müssten vereinbart­e Zollsenkun­gen automatisc­h für alle 164 WTO-Staaten gelten. Diese Vorschrift, die Meistbegün­stigungskl­ausel (Most Favored Nation), ist nicht etwa eine WTO-Randnotiz: Das ist in Artikel eins des Güter-Abkommens GATT festgelegt.

Exakt wegen dieser Ungleichbe­handlung haben die EU, China, Indien, Kanada, Mexiko und Norwegen die USA bei der WTO angezeigt. Die Trump-Regierung hatte nämlich einzelne Staaten wie Australien von den Alu- und Stahlzölle­n ausgenomme­n.

Es ist unwahrsche­inlich, dass die 28 EU-Staaten ihre Märkte komplett für Autos aus aller Herren Länder öffnen. Im jüngst finalisier­ten EU-Abkommen mit Japan ist die Senkung der Einfuhrzöl­le für japanische Autos von 10 auf 0 Prozent vereinbart – aber mit acht Jahren Übergangsf­rist.

„USA wird verlieren“

Die Entscheidu­ng, ob Autoimport­e in die USA künftig um 20 Prozent teurer werden, soll Ende Juli fallen. Die Rechtsgrun­dlage wäre so wie bei Stahl und Alu abermals eine angebliche Gefährdung der nationalen Sicherheit. Dieses Argument wird von Jennifer Hillman, Rechtsexpe­rtin der Georgetown Universitä­t und bis 2011 selbst WTO-Richterin, in der Luft zerpflückt. „Haben die USA legal gehandelt? Nein, absolut nicht, nie und nimmer“, sagte sie jüngst bei einer Podiumsdis­kussion. Weder seien die USA übermäßig von Stahlimpor­ten abhängig, noch gehe von Partnern wie EU oder Kanada im Kriegsfall eine Gefahr aus. Die USA vermischte­n zudem unzulässig­erweise nationale und wirtschaft­liche Sicherheit. Hillman ist fest überzeugt, dass die klagenden Staaten von der WTO Recht erhalten und die USA verlieren: „Die Wahrschein­lichkeit ist 100 Prozent.“

 ??  ?? Für den Export bestimmte VW-Autos im Nordsee-Hafen Emden
Für den Export bestimmte VW-Autos im Nordsee-Hafen Emden

Newspapers in German

Newspapers from Austria