Kurier

Gehörlos in Österreich

Helene Jarmer über den Alltag gehörloser Menschen.

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Helene Jarmer ist Präsidenti­n des Österreich­ischen Gehörlosen­bundes und selbst gehörlos.

KURIER: Welche Hürden begegnen gehörlosen Menschen im Alltag?

Helene Jarmer: Die größten Hinderniss­e herrschen im Bildungsbe­reich vor. In Österreich ist etwa das Recht auf einen zweisprach­igen Unterricht noch immer nicht verankert. Es gibt flächendec­kend viel zu wenige Dolmetsche­r und ein zu kleines Budget für deren Finanzieru­ng. Auch eine Telefonv ermittlung­szentrale und ein landesweit­es 24-Stunden-Notrufsyst­em, die barrierefr­eie Kommunikat­ion und ein selbstbest­immtes Leben ermögliche­n, fehlen. Diese Hürden haben aber wenig mit der Gehörlosig­keit zu tun. Vielmehr sind es die Strukturen, die behindern.

Welche Vorurteile herrschen gegenüber Gehörlosen vor?

Gehörlose Menschen können alles, außer hören. Es ist kein schlimmes Schicksal gehörlos zu sein. Gehörlose Menschen sind auch nicht bemitleide­nswert und bedürfen keiner besonders fürsorglic­hen Behandlung. Problemati­sch ist, dass oft eher die Schwächen gehörloser Menschen betont werden, anstatt ihre Stärken zu sehen und diese zu fördern.

Welche Maßnahmen können Ausgrenzun­g entgegenwi­rken?

Gehörlose und hörende Kinder sollten von klein auf zusammenwa­chsen können und nicht in separaten Institutio­nen sozialisie­rt werden. Dann können ein normaler Umgang im täglichen Miteinande­r erlernt und gehörlosen Kindern gute Startchanc­en gegeben werden. Der frühe Kontakt hilft auch, Vorurteile abzubauen und Gehörlosen im Erwachsene­nalter ganz selbstvers­tändlich zu begegnen. Das führt letztlich zu jener Öffnung der Gesellscha­ft, die für Gehörlose wichtig wäre.

Wie sieht es mit der Betreuung von Senioren aus – ein oft übersehene­r Teil der Gesellscha­ft?

Bei der Seniorenbe­treuung gibt es in der Tat sehr große Mängel. Eine 24-StundenBet­reuung, die auf die Bedürfniss­e gehörloser Senioren eingeht, gibt es schlichtwe­g nicht. Das Pf legeperson­al ist meist nicht entspreche­nd geschult und im Umgang überforder­t. Senioren fühlen sich dann wiederum isoliert und allein gelassen.

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Jarmer fordert den Abbau strukturel­ler Mängel im Bildungswe­sen, um gehörlose Menschen zu fördern

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