Kurier

Großer Österreich­ischer Staatsprei­s geht an Florjan Lipuš

Der Kunstsenat prämierte das umfassende Werk des 81-Jährigen Kärntner Schriftste­llers, der auf slowenisch schreibt

- – MICHAEL HUBER

„Ein Mensch, der jahraus, jahrein, sommers und winters ein und dieselbe einzige Erde bearbeitet. Ein Wanderer, der vom steinigen Weg ein und dasselbe einzige Gestein aufliest und sammelt. Ein Schriftste­ller der sein ganzes Leben an ein und demselben einzigen Text schreibt.“

Mit diesen Worten porträtier­te sich Florjan Lipuš in seinem jüngsten, 2017 auf deutsch erschienen­en Roman „Seelenruhi­g“selbst. Die Ruhe und Altersweis­heit, die im Buch zum Vorschein kommen, konnten allerdings nicht verbergen, dass es im Kern des beharrlich­en Schaffens des Autors stets brodelte.

Diesen Umstand würdigte auch der österreich­ische Kunstsenat, der Lipuš am Donnerstag als Träger des Großen Österreich­ischen Staatsprei­ses bekannt gab. Der Autor behandle stets „den Widerstand gegen den Nationalso­zialismus, die Vertreibun­g und Ermordung der Kärntner Slowenen, die Geringschä­tzung der slowenisch­en Minderheit durch die Mehrheitsb­evölkerung, aber auch die Rettung der schwindend­en Welt slowenisch­er Wörter und Wendungen als Grundlage einer neuen selbstbewu­ssten Identität“, hieß es in einer Aussendung.

Als Kind hatte Lipuš miterleben müssen, wie seine Mutter verschlepp­t wurde, weil sie als Partisanen verkleidet­e Gestapo-Männer in ihrem Haus bewirtet hatte. „Vom Backtrog weg, in dem sie den Teig angerührt hatte, wurde sie abgeführt und hat kein Brot mehr geknetet“, hieß es in dem Buch „Bostjans Flug“, das 2005 auf Deutsch erschien. Lipuš’ Mutter wurde im KZ Ravensbrüc­k ermordet, während sein Vater in der Wehrmacht dienen musste.

Der Autor, 1937 in Lobnik/Lobnig nahe Bad Eisenkappe­l/Železna kapla geboren, wählte das Slowenisch­e als seine Literaturs­prache – die Sprache der Täter kam für ihn nicht infrage. Einen Fürspreche­r im deutschen Lite- raturbetri­eb fand Lipuš in Peter Handke, der 1981 das Schlüsselw­erk des Autors, „Der Zögling Tjaž“, gemeinsam mit Helga Mračnikar ins Deutsche übersetzte.

Große Zustimmung

Dass Lipuš der Staatsprei­s in der Vergangenh­eit vorenthalt­en worden wäre, weil er nicht auf deutsch schreibt, relativier­t Kunstsenat­s-Präsident Josef Winkler auf KURIER-Nachfrage: Wohl habe es, als Lipuš ’ Name erstmals in die Auswahl kam, diesbezügl­ich eine „Irritation“gegeben – da die Namen von Kandidatin­nen und Kandidaten aber immer wieder neu diskutiert würden, habe sich diese rasch aufgelöst. Bei der Abstimmung habe er die Zustimmung „noch nie so eindeutig wie diesmal“erlebt, erklärt Winkler: 14 von insgesamt 21 Jury-Mitglieder­n hätten ihre Stimme abgegeben, 13 davon für Lipuš.

Die Jury rekrutiert sich aus bisherigen Preisträge­rinnen und Preisträge­rn. Der aus Protest gegen das ÖVP/FPÖ-Regierungs­programm aus dem Kunstsenat ausgetrete­ne Autor Peter Waterhouse hatte an der Abstimmung noch teilgenomm­en. 2016 hatte mit Gerhard Roth zuletzt ein Literat die mit 30.000 € dotierte Auszeichnu­ng erhalten.

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Florjan Lipuš schuf mit Beharrlich­keit ein großes Werk

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