Großer Österreichischer Staatspreis geht an Florjan Lipuš
Der Kunstsenat prämierte das umfassende Werk des 81-Jährigen Kärntner Schriftstellers, der auf slowenisch schreibt
„Ein Mensch, der jahraus, jahrein, sommers und winters ein und dieselbe einzige Erde bearbeitet. Ein Wanderer, der vom steinigen Weg ein und dasselbe einzige Gestein aufliest und sammelt. Ein Schriftsteller der sein ganzes Leben an ein und demselben einzigen Text schreibt.“
Mit diesen Worten porträtierte sich Florjan Lipuš in seinem jüngsten, 2017 auf deutsch erschienenen Roman „Seelenruhig“selbst. Die Ruhe und Altersweisheit, die im Buch zum Vorschein kommen, konnten allerdings nicht verbergen, dass es im Kern des beharrlichen Schaffens des Autors stets brodelte.
Diesen Umstand würdigte auch der österreichische Kunstsenat, der Lipuš am Donnerstag als Träger des Großen Österreichischen Staatspreises bekannt gab. Der Autor behandle stets „den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Vertreibung und Ermordung der Kärntner Slowenen, die Geringschätzung der slowenischen Minderheit durch die Mehrheitsbevölkerung, aber auch die Rettung der schwindenden Welt slowenischer Wörter und Wendungen als Grundlage einer neuen selbstbewussten Identität“, hieß es in einer Aussendung.
Als Kind hatte Lipuš miterleben müssen, wie seine Mutter verschleppt wurde, weil sie als Partisanen verkleidete Gestapo-Männer in ihrem Haus bewirtet hatte. „Vom Backtrog weg, in dem sie den Teig angerührt hatte, wurde sie abgeführt und hat kein Brot mehr geknetet“, hieß es in dem Buch „Bostjans Flug“, das 2005 auf Deutsch erschien. Lipuš’ Mutter wurde im KZ Ravensbrück ermordet, während sein Vater in der Wehrmacht dienen musste.
Der Autor, 1937 in Lobnik/Lobnig nahe Bad Eisenkappel/Železna kapla geboren, wählte das Slowenische als seine Literatursprache – die Sprache der Täter kam für ihn nicht infrage. Einen Fürsprecher im deutschen Lite- raturbetrieb fand Lipuš in Peter Handke, der 1981 das Schlüsselwerk des Autors, „Der Zögling Tjaž“, gemeinsam mit Helga Mračnikar ins Deutsche übersetzte.
Große Zustimmung
Dass Lipuš der Staatspreis in der Vergangenheit vorenthalten worden wäre, weil er nicht auf deutsch schreibt, relativiert Kunstsenats-Präsident Josef Winkler auf KURIER-Nachfrage: Wohl habe es, als Lipuš ’ Name erstmals in die Auswahl kam, diesbezüglich eine „Irritation“gegeben – da die Namen von Kandidatinnen und Kandidaten aber immer wieder neu diskutiert würden, habe sich diese rasch aufgelöst. Bei der Abstimmung habe er die Zustimmung „noch nie so eindeutig wie diesmal“erlebt, erklärt Winkler: 14 von insgesamt 21 Jury-Mitgliedern hätten ihre Stimme abgegeben, 13 davon für Lipuš.
Die Jury rekrutiert sich aus bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern. Der aus Protest gegen das ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm aus dem Kunstsenat ausgetretene Autor Peter Waterhouse hatte an der Abstimmung noch teilgenommen. 2016 hatte mit Gerhard Roth zuletzt ein Literat die mit 30.000 € dotierte Auszeichnung erhalten.