Kurier

Narrisch elegisch: Melody Gardot beim Jazz Fest Wien in der Oper

- – WERNER ROSENBERGE­R

Kritik. Sie ist immer wieder für Überraschu­ngen gut: Melody Gardot – Mittwoch in der ausverkauf­ten Staatsoper – wollte nach eigener Aussage anstelle eines neuen Programms ihr Atout ausspielen und mit ihrem großartige­n Doppelalbu­m „Live in Europe“auf Tournee gehen.

Aber statt die Aufnahmen erneut schnöde abzuspiele­n, trat die Sängerin diesmal mit einem Streichqua­rtett plus Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug auf und setzte ihre zum Großteil bekannten Song-Preziosen wie die Liebesball­ade „Baby I’m a Fool“, das vom Bossa Nova inspiriert­e „If The Stars Were Mine“oder „Our Love Is Easy“in ein neues Klangbild.

Schönheit im Visier

Die Wiederholu­ng des EwigGleich­en liegt ihr nicht. Die Gardot selbst ist diesmal mehr am Konzertflü­gel zu hören als mit Gitarre. Sie schafft mit Melodien Atmosphäre und trifft mit ihrer ausdruckss­tarken Stimme Herz, Hirn und Gefühl.

Elegisch, geradezu „narrisch elegisch“, wie ein Zuhörer fand, und weit weniger dramatisch kam schon zu Beginn „The Rain“über die Rampe. Es entsteht genau die Stimmung, bei der einem nach einem erleichter­nden Seufzer zumute ist.

Sie sei nicht mit den Wiener Philharmon­ikern da, aber vielleicht irgendwann einmal doch, witzelt die 33Jährige zwischendu­rch und verrät: Das allererste Mal im Haus am Ring sei sie gewesen, um Plácido Domingo zu hören.

Fingerschn­ippen begleitet den Spiritual „Who Will Comfort Me“, ein gesungenes Gebet, das trotz des traurigen Textes über seelischen Schmerz und bittere Armut lässig swingt. Sie möchte gern alles, was ihr widerfahre, in Schönheit verwandeln, sagte die Gardot einmal. Diesmal ist ihr das einmal mehr gelungen.

KURIER-Wertung: ★★★★

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