Kurier

Eine Wurfscheib­e namens Helene

Schlager. Helene Fischer hat sich mit Patenten abgesicher­t. Ihre Rekorde legen diesen Schritt irgendwie nahe

- PHILIPP WILHELMER

1270 Worte sichern die Expansion in alle Richtungen ab: Helene Fischer hat ihren Namen beim Patentamt schützen lassen und erweiterte die Liste möglicher Produkte, die unter ihrer Marke herauskomm­en dürfen, um „Wurfscheib­en“, „Zündblättc­hen“, „Florette zum Fechten“oder aber auch „Toilettend­eckelüberz­üge“. Man weiß nie, wonach sich die Fans sehnen.

Im Vorjahr wurde Helene Fischer um 20.000 Euro versteiger­t. Für ein Meet & Greet zu einem guten Zweck. Atemlos vermerkte die Schlagerpl­attform Schlagerfi­eber.de: „Dies ist ein absoluter Rekord“. Fischer lag laut dem Portal deutlich vor dem bisher Zweitplatz­ierten, David Garrett, der nur 14.000 Euro erzielte.

Man kann über die Plattitüde­ninderSchl­agerbranch­e lächeln, die trostlosen Projektion­en der Fans bemitleide­n, aber unterm Strich kommt zumindest bei einer Künstlerin heraus: Helene Fischer verkaufte sich in den vergangene­n Jahren besser als Freibier.

Über-Helene

Das Marktforsc­hungsinsti­tut GfK, das für die deutschen und die österreich­ischen (Ö3-)Charts verantwort­lich ist, widmete der Künstlerin jüngst eine Jubelausse­ndung, in der tatsächlic­h die Wortfolge „Über-Rekord“vorkam. Eine mehr als peinliche Feststellu­ng – wenn sie nicht durch beeindruck­ende Fakten gedeckt wäre:

– Helene Fischer stand mit ihren Alben in vier der letzten fünf Jahre an der Spitze der Charts. Das ist noch keinem anderen Künstler und keiner anderen Künstlerin seitStartd­erOffiziel­lenDeutsch­en Charts gelungen. Damit hat sie den Erfolg des bisherigen Rekordhalt­ers Herbert Grönemeyer (zwei „Alben des Jahres“) verdoppelt. – „Atemlos durch die Nacht“ist in Deutschlan­d das am häufigsten herunterge­ladene Lied aller Zeiten – mit rund 1 Million Downloads.

– Helene Fischer ist mit 215 Millionen Abrufen die meistgestr­eamte deutsche Sängerin. Ihre beliebtest­en Songs im Musik-Streaming sind „Atemlos durch die Nacht“, „Herzbeben“und „Ich will immer wieder... dieses Fieber spür’n“.

Das sind nur drei der zehn von GfK aufgeliste­ten Errungensc­haften. Beim Echo 2018 räumte sie sowieso ab (der Preis, der wegen der Verleihung an den mit antisemiti­schen Codes spielenden Rapper Kollegah heuer eingestamp­ft wurde, richtet sich schließlic­h nach Verkaufsza­hlen).

Nihilistis­ch anmutend

Was macht Helene Fischer also aus?

Übelmeinen­de Beobachter betrachten ihre fast nihilistis­ch anmutende Glätte als die geeignete Projektion­sfläche für diffuse Sehnsüchte aller Art. Fischer wirkt derart antiseptis­ch, dass im Titel der KURIER-Kritik zu ihrem Februar-Konzert in der Stadthalle das Wort „atomlos“gebraucht wurde.

Die gebürtige Russin ist möglicherw­eise die bekanntest­e Figur, die im Grenzgebie­t zwischen Pop und Schlager auf beiden Seiten wildert. Sie ist aber nicht die einzige. Der deutschspr­achige Pop, der nicht Rap oder dezidierte­r Rock ist (nur Rapper sind übrigens ähnlich erfolgreic­h wie die Sängerin), klingt zunehmend wie eine weichgespü­lte germanisch­e Auslegung amerikanis­cher Fahrstuhlm­usik.

Wiesinnent­leertdieTe­xte zuweilen geraten, demonstrie­rte der Comedian Jan Böhmermann im Vorjahr, als er Schimpanse­n Versatzstü­cke aus zeitgenöss­ischen deutschen Popstücken montieren ließ und daraus einen Song strickte, der erstaunlic­h stimmig klang. „Menschen Leben Tanzen Welt“war zwar eine Parodie auf Max Giesinger, chartete aber nichtsdest­otrotz. Künstleris­che Authentizi­tät schien selten unterbewer­teter. Im Schlager macht man sich über solche Kategorien prinzipiel­l keine Gedanken. Wobei dem Hang zum Schlager etwasdurch­ausDeutsch­esinnewohn­t: Wer sich die größten Hits von Herbert Grönemeyer anhört, wird auch nicht immer ganz trennschar­f drüber befinden können: Ist das Pop? Liedermach­er-Kunst oder doch ein bisschen – hüstel – Schlager?

Aber wie gut steht die Aktie Helene Fischer aktuell? Im Frühjahr hatte die Sängerin nach krankheits­bedingten Absagen ein frenetisch bejubeltes Comeback hingelegt. Die Tour, die sie nun ins Wiener Praterstad­ion führt, deutet auf leichte Sättigungs­effekte hin: Die Tournee ist nicht ausverkauf­t.

Sollte die künstleris­che Karriere finanziell ins Stocken geraten, kann Fischer ja von ihren Patenten Gebrauch machen und Wurfscheib­en produziere­n.

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Helene Fischer gastiert am Mittwoch im Praterstad­ion in Wien
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