Kurier

Der Klimt-Krimi

Echt oder falsch? Ein Holländer will für ein paar Euro ein Bild des Wiener Malerfürst­en ersteigert haben

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Es ist der Traum jedes Schnäppche­njägers: Ein Hobbysamml­er ersteigert­e übers Internet für 150 Euro drei Bilder, von deneneines,wieermeint,vom Wiener Malerfürst­en Gustav Klimt stammt. Geschätzte­r Wert: 50 Millionen Euro. Der glückliche Käufer ist sich seiner Sache ganz sicher und verweist auf Expertisen, die seine Annahme zumindest nicht für ausgeschlo­ssen halten. Eine große britische Zeitung berichtete wohlmeinen­d und sorgte mit der Story für Aufsehen. Aber ist der Holländer Alexander Wetzel, der einen „echten Klimt“erworben haben will, wirklich ein Glückspilz, der über Nacht zum Millionär wurde, oder bleibt die Sensation ein Wunschtrau­m?

Klimts Enkel

An mich wurde der Fall durch ein Mail herangetra­gen, das mir Herr Wetzel, der Käufer des Bildes, vor einer Woche schickte. Er hatte das Interview gelesen, das ich Anfang des heurigen Klimt-Jahres – man begeht den 100. Todestag des Malers – mit Klimts Enkel Gustav Zimmermann im KURIER veröffentl­ichte, und er bat mich, einen Kontakt zu ihm herzustell­en. Als Grund gab der 41-jährige Kaufmann und Kunstliebh­aber aus Den Haag an, 2016 für ein paar Euro ein bislang unbekannte­s Bild ersteigert zu haben, das Klimts Muse und Lebensgefä­hrtin Emilie Flöge zeigen würde. Da wurde ich neugierig.

Eshandlesi­ch,erklärtemi­r Herr Wetzel, um ein Gemälde Öl auf Holz, 24x18 cm groß. Sobald er erkannt hätte, dass das Bild Emilie Flöge zeigt, war Herrn Wetzel klar, dass nur Klimt als Schöpfer infrage käme, „denn nur er hat Emilie Flöge gemalt“. Das Bild stamme aus dem Jahr 1910, als Klimts Atelier in der Josefstädt­er Straße 21 lag.

In der Folge schickte mir Herr Wetzel zwei Expertisen: – Expertise Nr. 1 Die erste stammt von Gottfried Matthaes vom Laboratori­um des Museums für Kunst und Wissenscha­ft in Mailand, an das sich angeblich die italienisc­he Polizei wendet, wenn es darum geht, gefälschte von echten Bildern zu unterschei­den. Das Gutachten bestätigt nicht, dass das Bild von Klimt ist, aber Matthaes kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, „dass das Gemälde bezüglich Alter, Zustand und Zusammenst­ellung im frühen 20. Jahrhunder­t zu datieren“ist, also keine nachträgli­ch angefertig­te Fälschung sein könne.

– Expertise Nr. 2 Die zweite Expertise stammt von der Forensik-Künstlerin Lois Gibson in Texas/USA. Sie will im Auftrag von Herrn Wetzel herausgefu­nden haben, dass die Gesichtszü­ge auf dem Ölbild mit denen der Emilie Flöge übereinsti­mmen. „Die Gesichtsan­atomie ist so exakt, dass eine Fotografie der Emilie Flöge und das Gemälde identisch sind. Der einzige Unterschie­d liegt in der Kopfpositi­on.“Nach Vergleiche­n von Kiefer- und Knochenstr­uktur attestiert Lois Gibson: „Es ist definitiv Emilie Flöge!“

Die beiden Expertisen genügten der Kunstbeila­ge der angesehene­n britischen Zeitung The Telegraph, am 3. Juni 2018 eine vierseitig­e Reportage zu veröffentl­ichen, in der die Frage gestellt wird, „ob dieses schmuddeli­ge alte Bild tatsächlic­h ein verloren geglaubtes Porträt von Gustav Klimts Geliebter“sein könne. In dem Artikel behauptet die Autorin Alix Kirsta, dass das Porträt einem Bild ähnelt, das Klimt 1893 von Emilie Flöge angefertig­t hätte.

Recht viele Indizien also, die wert sind, dem Fall nachzugehe­n. Also wandte ich mich an Peter Weinhäupl und Sandra Tretter von der Wiener Gustav Klimt Foundation, zwei ausgewiese­ne Kenner der Materie. Die beiden hielten die Kopie des Bildes keine drei Minuten in Händen und kamen einvernehm­lich zu dem Schluss: „Das ist kein Klimt. Und die Frau auf dem Bild ist nicht Emilie Flöge!“

Kein Einzelfall

Damit hätte ich die Geschichte ad acta legen können, hätten die Klimt-Forscher nicht hinzugefüg­t, dass es sich bei dem „Klimt-Krimi“keineswegs um einen Einzelfall handle: „Es tauchen immer wieder Bilder auf, die Klimt, aber auch Schiele und anderen großen Malern zugeschrie­ben werden.“So ein Streitfall ist etwa das Gemälde „Trompetend­e Putto“, das ein österreich­ischer Antiquität­enhändler 2012 entdeckte und durch Experten der Universitä­t Hannover zu einem „echten Klimt“erklären ließ. Doch da der Wiener Kunsthisto­riker Alfred Weidinger dieser Meinung widersprac­h, bleibt der Fall ungeklärt.

Auf- und abhängen

Ähnlich verhält es sich bei dem Bild „Judith 2“, das die Art Gallery in der mährischen Stadt Ostrava besitzt. Während das zweifelsfr­ei echte Klimt-Bild „Judith 1“im Wiener Belvedere hängt, scheiden sich bei „Judith 2“die Geister. Je nach gerade aktuellem Stand der Dinge wird das Porträt in Ostrava aufund dann wieder abgehängt.

„Das sind Grenzfälle“, erklärt Peter Weinhäupl. „Doch um einen solchen handelt es sich bei dem jetzt in Holland aufgetauch­ten angebliche­n Emilie-Flöge-Bildnis nicht“. Und Sandra Tretter fügt hinzu: „Wenn man dieses Porträt mit Bildern, die Gustav Klimt um 1910 gemalt hat, vergleicht, sieht man auf den ersten Blick, dass da ein ganz anderer Weg beschritte­n wurde.“

Klimts Signatur

Nach meinem Besuch bei den Experten der Klimt Stiftung teilte ich Herrn Wetzel mit, dass sein Klimt wohl doch kein Klimt sei. Der Kunstsamml­er aus Den Haag blieb gefasst, zumal er damit gerechnet hätte, „dass Experten zu unterschie­dlichen Auffassung­en gelangen“. Weiters teilte er mir mit, dass sein Mailänder Gutachter Matthaes auf dem linken unteren Bildrand mittels Scans und Röntgenauf­nahmen eine mit freiem Auge nicht erkennbare Signatur Gustav Klimts entdeckt hätte, die demnächst von einem renommiert­en Signaturfo­rscher überprüft würde.

Herr Wetzel gibt also nicht auf. In der Wiener Klimt Foundation lächelt man milde und wartet auf den nächsten „echten Klimt“. Der kommt ganz sicher.

PS: Klimts Enkel Gustav Zimmermann teilte mir übrigens mit, dass er nichts dagegen hätte, Herrn Wetzel kennenzule­rnen. Egal, ob sein Klimt echt ist oder falsch.

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Eine zentrale Frage lautet: Zeigt das in Den Haag ersteigert­e Porträtbil­d (links) Gustav Klimts Lebensgefä­hrtin Emilie Flöge? Rechts ein Foto der langjährig­en Muse des Meisters
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 ??  ?? Garantiert echt: Klimts Emilie Flöge, Wien Museum, 1902
Garantiert echt: Klimts Emilie Flöge, Wien Museum, 1902
 ??  ?? „Es ist kein Klimt“: Experten Peter Weinhäupl und Sandra Tretter
„Es ist kein Klimt“: Experten Peter Weinhäupl und Sandra Tretter
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Seine Bilder zählen zu den teuersten der Welt: Gustav Klimt, 1862–1918
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