Kurier

„Dauerhaft zwölf Stunden

Dauerhaft zwölf Stunden zu arbeiten, macht krank, sagt die Psychologi­n Barbara Stiglbauer. Schülern und Eltern empfiehlt sie, die langen Ferien zu nutzen.

- VON JOSEF ERTL

Birgit Stiglbauer.

Barbara Stiglbauer ist Assistenzp­rofessorin am Institut für Arbeits-, Organisati­onsund Medienpsyc­hologie der Linzer Johannes Kepler Universitä­t. Die 32jährige Wissenscha­fterin stammt aus Andorf (Bez. Schärding).

KURIER: Die Bundesregi­erung hat die Arbeitszei­t flexibilis­iert und ermöglicht Arbeitszei­ten bis zu 12 Stunden täglich. Ist es gesund, länger als acht Stunden zu arbeiten?

Barbara Stiglbauer: Es gibt dazu einige Studien, die zeigen, wie sich Leistung, Stress und physiologi­sche Symptome verändern. Abhängig davon, wie lange man am Stück arbeitet. Nach acht bzw. zehn Stunden ist man weniger leistungsf­ähig, das Unfallrisi­ko steigt, die Regenerati­onsfähigke­it sinkt. Wenn man zwölf Stunden arbeitet, braucht man wesentlich­mehrZeitzu­mRegenerie­ren. Längeres Arbeiten wirkt sich auch auf den Schlaf aus. Einige Studien besagen,dassmanwen­iger schläft.

Aus wissenscha­ftlicher Sicht sollte man lediglich acht Stunden arbeiten?

So ganz eindeutig kann man es nicht sagen. Es hängt stark davon ab, wie die Arbeit gestaltet ist. Wenn man eine angenehme Arbeit mit ausreichen- den Zwischenpa­usen und Erholungsp­hasen hat, hat man die Regenerati­onsphase schon ein Stück weit in der Arbeit integriert.

Es gibt aber sicherlich Berufe,woachtStun­denzu viel sind. Wenn man durchgehen­d acht Stunden körperlich belastet ist, ist das nicht gut. Wenn man acht Stunden kognitiv belastet ist, ist es ebenfalls nicht gut. Es wäre wichtig, dass man eine Anforderun­gsvielfalt hat. Die Anforderun­gen sollen sich abwechseln. Denn es ist jeder Bereich irgendwann einmal erschöpft.

Ein Acht-Stunden-Tag macht Sinn. Gelegentli­ch länger zu arbeiten kann man ausgleiche­n. Das sollte aber nicht zum Dauerzusta­nd werden. Wenn man per Gesetz zwölf Stunden Arbeit erlaubt, besteht die Gefahr, dass es zwölf Stunden auf Dauer werden. Ein Mensch kann das eine Zeit lang ganz gut verkraften. Aber sicher nicht langfristi­g.

Denn er kann dann die Leistung nicht mehr erbringen, er wird krank. Das ist für den Betrieb und die Gesellscha­ft ungünstig. Man muss die längerfris­tige Perspektiv­e im Blick behalten.

In der Tagesarbei­tszeit ist es sinnvoll, kurze Pausen zu machen?

Ja, absolut. Es wurden dazu einige Feldexperi­mente durchgefüh­rt, bei denen die Menschen 55 Minuten gearbeitet haben. Da wurde die Arbeitsstu­nde um fünf Minuten für eine Pause gekürzt. Manwürdeve­rmuten,dass die Leistung dadurch zurückgehe­n würde. Das Gegenteil ist der Fall. Es wurde hochwertig­er gearbeitet, weil sich die Menschen regenerier­t haben. Wie sieht es mit den Mittagspau­sen aus?

Sie sind ganz wesentlich für die Regenerati­on.

Wie lange sollten sie sein?

Die Studien ergeben, dass es sinnvoll ist, mit den Arbeitskol­legen gemeinsam etwas zu machen. Die soziale Kontaktpfl­ege ist wichtig.

Weiters ist wichtig, Birgit Stiglbauer Arbeitspsy­chologin

dass jede Person das autonom machen kann. Denn jeder ist anders. Manche brauchen vielleicht ein Powernappi­ng.

Die Wochenarbe­itszeit sollte bis zu 60 Stunden ausgedehnt werden können.

Wenn man die Arbeitszei­t ausweitet, werden die freien Zeiten kürzer. Es geht auf Kosten anderer Bereiche wie Privatlebe­n, Familie und Erholung. Diese Bereiche sind aber wichtig, damit man die Arbeit gut machen kann.

Der frühere Geschäftsf­ührer des BMW-Werks in Steyr hat den Wunsch nach der 12Stunden-Woche damit argumentie­rt, dass seine Mitarbeite­r hin und wieder zu Schulungen in die Zentrale nach München fahren müssen und am selben Tag nach Hause zurückkehr­en wollen. Die Zehn-Stunden-Regelung zwingt sie aber dazu, unterwegs zu nächtigen.

Ich habe in meiner Arbeit beim arbeitspsy­chologisch­en Dienst in Linz solche Beispiele erlebt. Die Sicht der Arbeitnehm­er ist zu verstehen, dass

„Mehrere kleine Pausen sind sinnvoll. Dadurch steigt die Leistung.“

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Für Stiglbauer macht ein Achtstunde­ntag Sinn. Mehrarbeit sollte kein Dauerzusta­nd sein

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