In welch wunderbarer Welt wir leben
Martina Salomon, stv. Chefredakteurin und Leitung Wirtschaft
Dieses Buch ist nur mit Sonne im Herzen zu ertragen. Denn es ist grausam und eindrucksvoll – die Bilder bleiben für immer im Kopf. Schauplatz ist der Dreißigjährige Krieg, in dem ein Leben nicht viel zählte. In dem bittere Armut, Brutalität, Verbrechen, magische Vorstellungen und Willkür der Kirche herrschten. Daniel Kehlmann erzählt wie immer mit klarer, kühler, fast unerbittlicher Sprache. Und obwohl ich kein Fan historischer Romane bin, konnte ich den Wälzer nicht mehr weglegen.
Man begleitet Tyll – den Gaukler – auf seiner abenteuerlichen Lebensreise in einer der schrecklichsten Phasen der Geschichte. Politik, Kunst, Wissenschaft: Alles war damals unvorstellbar brüchig. In welch wunderbarer Welt leben wir dagegen heute! Schon lange war mir das nicht mehr so bewusst, wie nach der Lektüre von „Tyll“. Daniel Kehlmann, „Tyll“, Rowohlt, 480 Seiten, 22,95 € Urlaub dreht sich um Wunscherfüllung – Nichtstun! Handy abdrehen! Essen! Trinken! Und ein Buch lesen, in dem über Politik so geschrieben wird, dass man nicht den Eindruck hat, im Jahr 1970 stecken geblieben zu sein! Hier, bitte: Der Roman „Hochdeutschland“schaut von hoch oben herab auf Deutschland und damit Europa. Und zwar durch die Augen von Victor, der pervers reich geworden ist, aber nicht zum Zyniker. Er schreibt ein Manifest darüber, wie zeitgemäße Politik sein müsste. Vor allem: sprechen müsste. Über Gemeinschaft und Investitionen und Flüchtlinge und Nation und Stolz und Freiheit und Menschlichkeit und Grenzen. Die große Rundum-Watschn für alle jene, die in der Vergangenheit stecken geblieben sind. Alexander Schimmelbusch, „Hochdeutschland“, Verlag Tropen, 214 Seiten, 20 €