Oma ist noch jung. Die Enkelin ebenso
Die Seniorin. Alterserscheinungen erzeugt oft weniger der Kalender als der Kopf
Vor Kurzem feierte Daria Geburtstag. Im Grunde feierten nur wir Menschen. Dem Hund sind kalendarische Ereignisse relativ egal. Er weiß inzwischen, dass es das seltsame Fest um den Kerzenbaum, an dem man das Bein nicht heben darf, ebenso regelmäßig gibt, wie das Fest um die Kerzentorte, die man allein auffressen darf. Warum und wann das stattfindet, fragt Daria nicht. Sie sortiert das Jahr nie nach Ereignissen.
Also tat sie unbeteiligt, während wir Menschen sie überschwänglich feierten. Zwei von ihnen fragten Daria: „Und? Wirst du jetzt schon sieben?“Diese überhörte die Frage. Also knurrte ich statt ihr: „Nein acht, das steht doch auf der Torte!“
Da erwiderte die eine: „Echt jetzt? Dann ist Daria also ab jetzt Seniorin!“Ich wurde grantig. Denn erstens ist „Senior“ein seltsames Kunstwort, das nur ungelenk um das Wort „alt“herumrudert (würde Hemingways Novelle „Der alte Mann und das Meer“„Der Senior und das Meer“heißen – sie wäre womöglich nicht halb so berühmt geworden). Und zweitens ist Daria gar nicht alt, weil sie sich nicht alt fühlt.
Wenn sie sich freut, macht sie nach wie vor Bocksprünge wie einst als Junghund. Ja, vielleicht hängt ihr bei Hitze und Anstrengung rascher die Zunge raus, aber sie hat immer noch die Schnauze vorn, wenn sie mit anderen Beagles unterwegs ist. Und die paar weißen Haare um die Augen – wer wird denn so kleinlich sein? Die machen sie maximal interessant.
Eine Freundin von mir dachte, sie sei alt, weil die Zahl der Kerzen auf der Torte ihr das suggerierte. Sie spürte täglich neue Wehwehchen und erwartete schicksalsergeben die ihr entgegenhumpelnde Altersgebrechlichkeit. Dann lernte sie durch Zufall eine Personal Trainerin kennen, ließ sich von dieser zeigen, dass Sport kein Vorrecht der Jugend ist, verlor jede Menge Kilos, hatte wieder Spaß am Leben, verliebte sich neu – und stellte eines Tages fest, dass die Altersgebrechlichkeit grußlos aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
Denn Alterserscheinungen erzeugt weniger der Kalender als der Kopf. Darias Oma Kathy zum Beispiel ist 15 und ganz schön flott unterwegs. Neulich trafen wir sie auf der Straße. Da näherte sich eine uns unbekannte Frau, schaute Kathy an, die für einen Beagle relativ klein ist, und sagte: „Moi, ist die noch jung?“Ich prustete los: „Das ist die Oma meiner Daria, die neulich jemand ,Seniorin‘ genannt hat.“