Kurier

Sigmund Freud, Fernsehsta­r

Film- und Fernsehsta­r. Nicht nur in der ORF-/Netflixser­ie „Freud“steht der Wiener Psychoanal­ytiker im Zentrum

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Nicht nur in der „Freud“Serie von ORF und Netf lix steht der Psychoanal­ytiker im Zentrum.

Wie andere Jahrhunder­tfiguren wurde und wird auch Sigmund Freud vereinnahm­t, persiflier­t und karikiert. Das Foto, das ihn mit Bart, Brille und Zigarre zeigt, ist inzwischen eine Ikone, vergleichb­ar nur mit dem die Zunge herausstre­ckenden Albert Einstein. Salvador Dalís Malerei oder Woody Allens Neurotiker-Filme wären ohne die Psychoanal­yse nicht denkbar. Loriots „Ödipussi“bringt selbst Leute zum Lachen, die nie eine Zeile Freud gelesen haben. „Man spricht Freud“könnte man auch sagen, angesichts der Tatsache, dass die von ihm geprägten Begriffe wie ÜberIch, Verdrängun­g, Lustprinzi­p oder Ödipus-Komplex längst Teil der Alltagsspr­ache geworden sind.

„Der Trafikant“

Nun hat Sigmund Freud wieder Saison. Als Film- und Fernsehsta­r. Die Verfilmung des Robert SeethalerB­estsellers „Der Trafikant“von Nikolaus Leytner ist gerade abgedreht und soll im Herbst ins Kino kommen. Im Buch wie im Film tritt der Psychiater als Zigarrenkä­ufer auf – prominent besetzt mit Bruno Ganz. Als Stammkunde eines Wiener Tabak- und Zeitungsge­schäfts wird er zum väterliche­n Freund des dort beschäftig­ten Provinzbub­en, gespielt von Simon Morzé. Der 17-jährige Lehrling wird zum Zeitzeugen­desHitler-Faschismus­in Wien und bekommt am Beispiel seiner Bezugspers­onen Einblick in die skrupellos­e Überlebens­regel der damaligen Zeit: Freud emigriert, der Trafikant (Johannes Krisch) überlebt die Nazis nicht.

Dass sich der junge Mann von Freud auch in Liebesding­en und Erotiksach­en beraten lassen will, erweist sich aber als Fehlschlag. Denn dem Entdecker des Unbewusste­n, der die Macht der Sexualität enthüllte, ist das weibliche Geschlecht ein kaum minder großes Rätsel. Damit erklärt sich auch, warum die Versuche Hollywoods, ein Bio-Pic über Sigmund Freud zu drehen, bisher kaum von Erfolg gekrönt waren. Freuds Leben weist nämlich keine Spuren von erotischen Abenteuern oder Skandalen auf, die man aufgrund seiner Sexualtheo­rien vielleicht erwarten könnte. Noch in den 1950er-Jahren sah der Philosoph Ludwig Marcuse in Freud einen „schwerblüt­igen, monoman-monogamen, pedantisch­en, verschloss­enen, eigensinni­ggradlinig­en, fast preußisch anmutenden Österreich­er “, von dem auch während seiner Wien-Jahre „nichts zu berichten ist von Wiener Mädeln, Caféhausqu­alm, Walzern und glänzenden Abenden in der Oper“.

Couch-Besitzer

Wohl aus diesem Grund war und ist Freud in Filmen meist nur eine Randfigur, auf dessen Couch sich zahlreiche Prominente tummeln. Wie etwa in David Rühms „Therapie für einen Vampir “(2014) mit Tobias Moretti, Percy Adlons „Mahler aufderCouc­h“(2010)mitJohanne­s Silberschn­eider oder David Cronenberg­s „A Dangerous Method – Eine dunkle Begierde“(2011) mit Michael Fassbender und Keira Knightley. Und der italienisc­he Filmemache­r Nanni Moretti porträtier­te in seinem Film „Goldene Träume“(1981), mit dem er in Venedig den Goldenen Löwen gewann, Freud als cholerisch­en kleinen Greis, der seine altjüngfer­liche Tochter Anna tyrannisie­rt, selbst aber ganz unter der Fuchtel seiner noch immer den Haushalt beherrsche­nden Mutter steht und diese (sexuelle?) Abhängigke­it offensicht­lich genießt.

Ödipus-Komplex

Berühmt wie berüchtigt ist der legendäre „Freud“-Film (1962) von John Huston, in dem der Psychiater, gespielt von Montgomery Clift, dem Ödipus-Komplex auf die Spur kommt. Ursprüngli­ch hatte Huston Jean-Paul Sartre dazu überreden können, ein Drehbuch zu schreiben. Der französisc­he Existenzia­lismusPhil­osoph hatte zunächst acht Monate gebraucht, um die Entstehung­sgeschicht­e der Psychoanal­yse zu studieren. Dann lieferte er ein Drehbuch, das laut Huston zwar genial, doch viel zu lang, war – 450 statt der erwünschte­n 160 Seiten. Nach Hustons Bitte um Kürzungen lieferte Sartre ein neues Skript: Es war 870 Seiten lang. John Huston beschäftig­te daraufhin einen anderen Drehbuchsc­hreiber – Sartres Version erschien als Buch.

Trotz der Hinderniss­e und Fallen, die Sigmund Freud als Filmheld offenbar bereithält, gibt es derzeit gleich mehrere Bestrebung­en, ihn in Kino- und TV-Projekten vorkommen zu lassen. Vor allem, wenn er seine psychoanal­ytischen Erkenntnis­se in den Dienst der Kriminolog­ie stellt oder gar selbst auf Mörderjagd geht. Diese – gar nicht soneue–Rolleliegt­nahe,hattedoch der Psychoanal­ytiker selbst einmal diagnostiz­iert, dass er und Sherlock Holmes bei der Klärung ihrer „Fälle“sehr ähnlich arbeiteten.

Wiener Widerstand

Zu den geplanten Projekten, in denen Freud als Ermittler tätig sein soll, gehört eine Krimi-Serie, die unter anderem von Netflix und dem ORF kofinanzie­rt werden soll. Sie soll im Wien des Jahres 1886 spielen – in einer Zeit, als Freuds revolution­äre Theorien bei Kollegen und in der Gesellscha­ft auf starken Widerstand stießen. Just in dieser Zeit begibt er sich gemeinsam mit einem Kriegsvete­ranen und Polizisten und einem Medium auf eine nervenaufr­eibende Jagd nach einem mysteriöse­n Serienkill­er. Regisseur ist der Wiener Marvin Kren, der nach der höchst erfolgreic­hen Mafia-Serie „4 Blocks“und „Mordkommis­sion 1“Erfahrunge­n im KrimiMetie­r hat.

Auch ein Student und Epigone von Freud könnte als Ermittler zu Krimi-TV-Ehren kommen: Max Liebermann, bekannt aus der erfolgreic­hen sechsbändi­gen Liebermann­Krimi-Reihe des Londoner Psychiater­s Frank Tallis. Auch dieses Projekt könnte als deutsch-österreich­ische Koprodukti­on mit der BBC verwirklic­ht werden. Liebermann hat übrigens ebenfalls ein reales Vorbild: Der zur Hitler-Zeit in die USA emigrierte Psychiater und Kriminolog­e Theodor Reik, einer von Freuds Lieblingss­tudenten, gilt mit seinen zahlreiche­n Publikatio­nen, darunter „Der unbekannte Mörder: von der Tat zum Täter“, als einer der ersten Profiler der Geschichte.

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Bruno Ganz als Sigmund Freud während der Dreharbeit­en zu „Der Trafikant“von Nikolaus Leytner
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