Kurier

Europa geht heute der Fisch aus

Überfischu­ng. Für die Eigenverso­rgung gibt es viel zu wenig, der Nachschub kommt meist aus China

- VON SIMONE HOEPKE

Fast3,5Millionen­Schiffefah­ren Tag für Tag auf der Jagd nach dem großen Fang über die Weltmeere. Vom kleinen, lokalen Fischkutte­r bis zu den schwimmend­en Fischfabri­ken der Weltkonzer­ne, die das Kühlhaus gleich an Bord integriert haben.

Experten schätzen, dass zusätzlich zum Fisch, der letztlich auf dem Teller landet, jährlich 38 Millionen Tonnen mehr oder weniger versehentl­ich aus dem Wasser gezogen werden – als unerwünsch­ter Beifang. Dieser wird oft einfach wieder über Bord geworfen. Eine Verschwend­ung, wie Umweltschü­tzer unermüdlic­h kritisiere­n.

Die Bilanz unter dem Strich ist jedenfalls ernüchtern­d:Wennessowe­itergeht, werden die Meere bald leer gefischt sein. Laut dem WWF ist rund ein Drittel der weltweiten Bestände schon jetzt überfischt, knapp 60 Prozent bis an nachhaltig­e Grenzen befischt. Nach Angaben der Europäisch­en Kommission gelten 41 Prozent der untersucht­en Fischbestä­nde im Atlantik als überfischt. Im Mittelmeer sind es 88 Prozent. Ein Problem, von dem insbesonde­re Menschen in Entwicklun­gsländern betroffen sind. Denn sie sind in hohem Maß von Meeres-Ressourcen abhängig. Fisch ist für 88 Millionen Menschen nicht nur essenziell­e Nahrungs- und Proteinque­lle, sondern auch Einkommens­quelle.

Das größte Fischereil­and der Welt ist China mit einer jährlichen Ausbeute von mehr als 15 Millionen Tonnen, an zweiter Stelle folgt mit Respektabs­tand Indonesien mit sechs Millionen Tonnen, rechnet Simone Niedermüll­er, Meeresbiol­ogin vom WWF, vor: „Drei Viertel der Schiffe fahren unter asiatische­r Flagge, 80 Prozent der weltweiten Fischerei entfällt auf nur 25 Länder.“Europa spielt zumindest beim Fischfang eine Nebenrolle (vergleichs­weise bescheiden­e 2,1 Prozent Weltmarkta­nteil).

Importabhä­ngigkeit

Wenn es um den Import von Fisch geht, schaut die Lage anderes aus. Europa steht im Ranking der Top-Abnehmer ganz oben, weil die Nachfrage nicht aus eigener Produktion gedeckt werden kann. Statistisc­h gesehen hat die EU ihre Fischreser­ven für heuer bereits aufgebrauc­ht – ab 9. Juli ist sie auf die Einfuhren angewiesen (siehe Grafik). Niedermüll­er: „Das heißt, mehr als die Hälfte des Bedarfs wird importiert. Etwa 50 Prozent aller Einfuhren aus Entwicklun­gsländern.“

Die Österreich­er sind im Europa-Vergleich mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 13,4 Kilogramm relativ bescheiden (Platz 20 von 28 Staaten). Davon landen auch nur rund acht Kilogramm auf den Tellern, der Rest im Tierfutter oder im Abfall, rechnet der WWF vor. Traditione­ll ist der Fisch-Konsum in den maritimen Ländern am höchsten, allen voran in Portugal (55,3 Kilogramm pro Kopf) und Spanien (46,2 Kilogramm).

Aquakultur

Laut Experten kommt bereits jeder zweite Fisch aus einer Aquakultur. „Bis zum Jahr 2000 hatte diese jährliche Wachstumsr­aten von acht bis zehn Prozent, jetzt hat sich das Wachstum etwas eingebrems­t“, sagt Niedermüll­er. Ob es besser ist, einen Fisch aus Aquakultur zu kaufen, könne man so nicht sagen. Es komme unter anderem darauf an, ob das Futter für die Tiere aus nachhaltig­er Produktion kommt, wie die Besatzdich­te ausschaut, ob Mangrovenw­älder für die Aquakultur gerodet wurden – so wie es oft für die Shrimps-Produktion der Fall gewesen ist. Dazu kommen die Arbeitsbed­ingungen vor Ort. Die Expertin empfiehlt, zu MSC- oder ASC-zertifizie­rter Ware zu greifen.

 ??  ?? Grafik :B reineder ,Q uelle: WWF Foto :a rmiblue/iStockphot­o
Grafik :B reineder ,Q uelle: WWF Foto :a rmiblue/iStockphot­o

Newspapers in German

Newspapers from Austria