Deschamps kann Fußball-Geschichte schreiben
Trainer-Quartett. Martínez, Deschamps, Dalic und Southgate sind die letzten von 32 Teamchefs
nach rief der FC Barcelona bei Valverde an.
Nach Mancini kam der Sieger, Roberto Martínez, in den großen aber natürlich restlos gefüllten Pressekonferenz-Saal. „Es gibt kein Champagner-Bad, nur ein warmes Bad für die Spieler. Morgen wird trainiert“, erklärte der neue Champion. Meine Chance auf eine Frage, anstelle eines englischen Platzhirschen? Nahe bei Null.
Letzte Hoffnung
Planänderung. Ich sah Wigans Pressechef, der bei der Tür im Eck wartete. Schnell war erklärt, dass Österreich erstmals einen FA-Cup-Sieger stellt und ich deswegen angereist wäre. Ob das reicht, um Mister Martínez zu Paul Scharner zu befragen? „I’ll ask the manager.“Na ja, eine kleine Hoffnung blieb.
Nach der PK wollte Martínez bei der Tür raus, endlich feiern. Der bejubelte Trainer erfuhr von meinem Ansinnen, sah mich an – und blieb tatsächlich stehen. Mit ein, zwei Handbewegungen holte der Spanier die Print-Kollegen von Wigans Lokalzeitungen herbei. Er erklärte ihnen, dass er diesem „guy from Austria“jetzt ein Interview über Scharners Rolle geben würde. Sie könnten den Inhalt ja auch verwenden.
Martínez erzählte, dass Scharner nach seiner Rückkehr vom HSV im Jänner „allen klar gemacht hätte, dass wir es wirklich bis ins Finale schaffen können.“Sogar eine eigene Motivationsansprache ließ der bereits 1995 als Spieler nach Wigan gekommene Spanier den Latics-Rekordspieler aus Österreich halten: „Paul hatte die Vision, die uns hierher gebracht hat.“
Saft der Sieger
Zum Dank bekam Scharner als einziger Spieler einen Tag frei, um mit der angereisten Familie in London zu feiern. Der Rest des Kaders bekam als Siegergetränk lediglich Orangensaft erlaubt. Bei seinem Querdenker aus Purgstall war Martínez sicher, dass er den Freiraum nicht für ein Besäufnis nutzen würde.
Der Mann aus Balaguer kündigte höflich an, dass er jetzt wirklich gehen würde. Ich schüttelte Martínez die Hand und war glücklich.
Diesem Trainer würde ich ab sofort alles zutrauen. Auch den Weltmeister-Titel. Obwohl ich vor der WM auf Frankreich getippt habe. Mit Roberto Martínez und Didier Deschamps stehen einander zwei etatmäßige Teamchefs gegenüber. Der eine wurde von Belgien nach dem EM-Aus geholt. Der andere ist seit 2012 bei Frankreich in Amt und Würden – mittlerweile ist Didier Deschamps Rekordtrainer, er sitzt am Dienstag zum 82. Mal auf der französischen Bank.
Am Mittwoch spielt England gegen Kroatien. Hüben (Gareth Southgate) wie drüben (Zlatko Dalic) wurde aus einem Notnagel ein gefeierter WM-Trainer.
Unter dem Weltmeister von 1998 und Europameister von 2000 hat sich Frankreichs Nationalteam wieder konsolidiert. 20 Jahre später könnte der Mann, der aus Bayonne im französischen Baskenland stammt, als Dritter in die Fußball-Geschichte eingehen, der sowohl als Spieler wie auch als Trainer den Weltmeister-Titel holt. Bislang ist das nur Franz Beckenbauer mit Deutschland (1974/1990) und Mario Zagallo mit Brasilien (1970/1994 als Co-Trainer) gelungen. Er hat die vielleicht beste Mannschaft seit dem Jubeljahr 1998 aufgebaut.
Es fällt auf, dass der Trainer wie schon vor zwei Jahren etliche Stars zu Hause ließ. Damals waren es Karim Benzema und Mathieu Valbuena, die in eine Erpressung verwickelt waren. Diesmal durften Kingsley Coman, Anthony Martial und Alexandre Lacazette nicht mit.
– Didier Deschamps (49)
Der Notnagel sitzt schon tief bei dieser WM. 2013 wurde Southgate zum Cheftrainer des englischen U-21-Nationalteams ernannt. Ende September 2016 berief ihn der Verband als Interimstrainer der A-Nationalmannschaft, nachdem Sam Allardyce wegen eines Enthüllungsskandals
– Gareth Soutgate (47)
nach nur kurzer Amtszeit entlassen worden war. Zwei Monate später stellte die FA Southgate als neuen Chefcoach der Three Lions vor. Der Mann aus Watford hat eine ordentliche Karriere als Verteidiger hinter sich, kickte 57 Mal im englischen Nationalteam und erreichte 2006 mit Middlesbrough das Endspiel im UEFA-Cup. Bei vielen Fans ist aber eines in Erinnerung – sein verschossener Elfer gegen Deutschland im EM-Semifinale 1996. Seither konnte das Team kein Elferschießen mehr gewinnen. Bis zum Achtelfinale gegen Kolumbien mit Southgate als Teamchef.
Der nächste Notnagel, der bei der WM zum gefeierten Teamchef wurde. Der kroatische Verband zog nach dem mageren 1:1 in der Qualifikation gegen Finnland die Konsequenzen und trennte sich von Teamchef Ante Cacic. Der bis dahin kaum als Trainer aufgefallene Zlatko Dalic übernahm den Posten des Teamchefs. Als Spieler war er in Split, Mostar und Varazdin
– Zlatko Dalic (51)
tätig. Als Trainer in Rijeka, Albanien, Saudi-Arabien und in den Emiraten. Der FußballTrainer, der als Bruder von Frankreichs früherem Tennis-Star Henri Leconte (55) durchgehen würde, hauchte dem kroatischen Team aber neues Leben ein. Das sicherte mit einem 2:0 gegen die Ukraine Platz zwei und fertigte in der Relegation Griechenland ab. Daher durfte er nicht nur bei der WM in Russland coachen, sein Vertrag wurde von Verbandschef Davor Suker gar bis 2020 verlängert.